Es gibt mehrere Gründe, warum Entscheidungsinterventionen dauerhaft eine wichtige Rolle spielen:

2.1 Die Eigenschaft von Entscheidungen an sich

Entscheidungen an sich sind meist schon aus Prinzip schwer. Der Entscheider steht dabei vor der Herausforderung, eine Option auszuwählen, da die Definition einer Entscheidung unter anderem umfasst, dass nicht mehrere Optionen gleichzeitig verwirklicht werden können.[1] Die verschiedenen Optionen schließen sich gegenseitig aus. Das "oder" steht dabei im Mittelpunkt – macht man das eine oder das andere? Erschwerend kommt hinzu, dass Optionen meist nicht auf allen Ebenen miteinander vergleichbar sind. Die richtige Lösung lässt sich nicht einfach berechnen. Nach Schimank (2005) bewegen sich Entscheidungen zwischen den Polen der Erratik und der Determiniertheit. Es ist nicht alles zufällig was im Geschäftsumfeld passiert, es ist aber auch nicht alles vorbestimmt. In diesem Zwischenbereich sind Entscheidungen angesiedelt. Wären sie bei einem der Pole, würde eine Entscheidung an sich keinen Einfluss haben, da es keine Regeln gibt und das Umfeld chaotisch abläuft oder weil ohnehin alles vorbestimmt ist. Dazwischen liegt jener Bereich, der teilweise determiniert ist, also gewissen Regeln folgt und teilweise erratisch ist, folglich auch gewisse Freiräume lässt. Wichtig ist dabei zu identifizieren, welche Entwicklungen in einer vorhersagbaren Weise stattfinden und ebenso jene Entwicklungen zu identifizieren, bei denen dies unsicher ist. Diese Grundeigenschaften von Entscheidungen geben schon einen ersten Hinweis darauf, warum sie Entscheider immer wieder erneut vor große Herausforderungen stellen.

[1] Luhmann, 2003.

2.2 Komplexität der Entscheidungssituation

Wie in dem Artikel zum psychischen Mechanismus hinter kognitiven Verzerrungen[1] näher ausgeführt, gibt es mehrere Aspekte, die Entscheidungssituationen komplex erscheinen lassen können. Das Ziel, die Auswahl jener Option im Hier und Jetzt, die den zukünftigen Ansprüchen optimal entspricht, wird dadurch deutlich erschwert. So führt Intransparenz dazu, dass nicht klar ist, wie sich die Situation entwickeln wird. Vernetzte Entscheidungssituationen machen es schwer, jene Maßnahmen zu ergreifen, die nur die gewünschte Wirkung haben und keine unerwünschten Fern- und/oder Nebenwirkungen. Dynamische Entscheidungssituationen setzten den Entscheider unter Zeitdruck, da sich die Situation eigenständig fortentwickelt. Allein die Menge und Vielfalt unterschiedlichster Informationen kann zur Überforderung führen. Letztlich sind die meisten Entscheidungen in soziale Prozesse eingebettet. Die Auswirkungen müssen dabei immer mitbetrachtet werden und können das Finden der richtigen Option zusätzlich erschweren.[2]

[2] Für unterschiedliche Werkzeuge, um einigen der Aspekte der Komplexität Herr zu werden, siehe Müller-Pellet/Kottbauer, "Entscheiden: 8 wichtige Werkzeuge für Entscheidungsvorbereitung und -findung ", 2020.

2.3 Unbemerkter Zielwechsel führt immer wieder zu Fehlentscheidungen

Komplexität hat noch einen weiteren Effekt auf den Menschen als Entscheider:[1] Sie kann einen regulativen Prozess anstoßen, der dazu führt, dass mitschwingende, eigentlich sekundäre Ziele unbemerkt in den Fokus rücken. Diese sekundären Ziele sind häufig im Bereich psychischer Bedürfnisse (nach Kompetenz, Bestimmtheit und Affiliation) verortet. Folglich kann es passieren, dass die gewählten Optionen sich an den Anforderungen dieser Bedürfnisziele ausrichten, das ursprüngliche Sachziel wird dabei aus dem Fokus verloren. Im Mittelpunkt dieses Artikels steht dabei der unbemerkte Zielwechsel. Fehlentscheidungen aus Unternehmenssicht, die deshalb zustande kommen, weil einzelne Parteien absichtlich ihre "Schattenziele" verfolgten, sind dabei nicht eingeschlossen.

[1] Siehe auch ausführlich dazu Domeier, "Biases: Der psychische Mechanismus hinter kognitiven Verzerrungen", 2020.

2.4 Fehlendes automatisches Lernen aus Fehlentscheidungen

Unter anderem durch diesen Mechanismus des unbemerkten Zielwechsels kann es zu Fehlentscheidungen kommen. Die nächste Binsenweisheit besagt, dass man aus Fehlern lernt. Aber offensichtlich ist dies nicht in dem Ausmaß gegeben, dass Entscheidungsprozesse automatisch davon profitieren. Warum das so ist, hat mehrere Gründe. Man lernt nicht aus Fehlentscheidungen per se, sondern man lernt aus der Analyse von Fehlentscheidungen.[1] Oft werden das Treffen von Fehlentscheidungen und deren Analyse jedoch fälschlicherweise gleichgesetzt. Ein Lernen kann nur dann stattfinden, wenn die Tiefenstruktur des Fehlers aufgedeckt wird. Erst dann kann "negatives Wissen"[2] entstehen. Jenes Wissen also, wie man etwas in Zukunft nicht machen sollte. Erschwerend kommt hinzu, dass Lernen prinzipiell dann am besten funktioniert, wenn Aktion und Effekt zeitlich nahe beieinander liegen. Dies ist bei Fehlentscheidungen jedoch oft nicht gegeben, da sich Entscheidungsprozesse über lange Zeiträume erstrecken können und der Grund für ein etwaiges Scheitern letztlich Monate zurückliegen kann.[3] Klare Aktion-Effekt-Zuteilungen werden auch dadurch erschwert, dass oft mehrere (Fehl-)Handlungen zum letz...

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