2.1.4.1 Klassifizierung als Vermögensgegenstand

 

Rz. 49

Eine entscheidende Voraussetzung für den Ansatz eines selbst erstellten immateriellen Anlagegutes in der Bilanz stellt dessen Klassifizierung als Vermögensgegenstand dar. Durch die Aufhebung des § 248 Abs. 2 HGB a. F. greift das in § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB postulierte Vollständigkeitsgebot jetzt auch für selbst erstellte immaterielle Anlagegüter, welches allerdings durch ein in § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB vorgesehenes Aktivierungswahlrecht relativiert wird.[1]

Neben der Klassifizierung als Vermögensgegenstand ist eine Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase notwendig, da gemäß § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB i. V. m. § 255 Abs. 2a Satz 1 HGB nur die bei der Entwicklung eines selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens entstehenden Herstellungskosten aktiviert werden dürfen.[2] Für Forschungskosten besteht indes gem. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB ein Aktivierungsverbot. Offensichtlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ab welchem Zeitpunkt die in der Entwicklungsphase angefallenen Herstellungskosten eines selbst erstellten immateriellen Anlagegutes zu aktivieren sind und nach welchen Kriterien die Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase zu erfolgen hat.

[1] Hinzuweisen bleibt an dieser Stelle jedoch, dass das in § 5 Abs. 2 EStG vorgeschriebene Aktivierungsverbot für unentgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens weiterhin bestehen bleibt.
[2] Vgl. dazu Bieg/Kußmaul/Petersen/Waschbusch/Zwirner, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – Bilanzierung, Berichterstattung und Prüfung nach dem BilMoG, 2009, S. 46.

2.1.4.2 Begriff und Abgrenzung von Forschung und Entwicklung

 

Rz. 50

Um dem Bilanzierenden eine Entscheidungshilfe hinsichtlich der Einordnung in die Forschungs- oder Entwicklungsphase zu geben, wurde in den Gesetzeswortlaut des § 255 Abs. 2a HGB eine Definition der beiden Phasen aufgenommen.

Nach § 255 Abs. 2a Satz 2 HGB wird Entwicklung definiert als "die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen". Dabei fallen unter die Güter vor allem "Materialien, Produkte, geschützte Rechte oder auch ungeschütztes Know-how oder Dienstleistungen", während unter den Verfahren "neben den typischen Produktions- und Herstellungsverfahren auch entwickelte Systeme" zu verstehen sind.[1]

Demgegenüber ist unter Forschung gemäß § 255 Abs. 2a Satz 3 HGB "die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können"[2], zu verstehen.

 

Rz. 51

Darüber hinaus finden sich in der Begründung zum BilMoG-RegE weitere Konkretisierungen der Forschungs- und Entwicklungsphase, die für eine Abgrenzung herangezogen werden können.[3] Dennoch bringt die Grenzziehung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase insbesondere aufgrund der relativ allgemein gehaltenen Definitionen und der fließenden Übergänge von der Forschungs- zur Entwicklungsphase erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich[4] und eröffnet dem Bilanzierenden damit einen nicht unerheblichen bilanzpolitischen Ermessensspielraum.[5]

 

Rz. 52

Kann die Trennung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase nicht ausreichend nachvollziehbar und plausibel vorgenommen werden, ist gemäß § 255 Abs. 2a Satz 4 HGB eine Aktivierung ausgeschlossen, sodass alle Aufwendungen ergebniswirksam zu erfassen sind.[6]

[1] Alle Zitate entnommen aus BR-Drucks. 344/08 S. 130.
[2] BR-Drucks. 344/08 S. 131.
[3] Vgl. BR-Drucks. 344/08 S. 131 f.
[4] Vgl. Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut – Veränderung der Aktivierungskriterien durch das BilMoG?, in Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, S. 84; Küting/Ellmann, Immaterielles Vermögen, in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht – Handbuch zur Anwendung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), 2. Aufl. 2009, Kap. XI, S. 269 f.
[5] Vgl. Arbeitskreis "Immaterielle Werte im Rechnungswesen" der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2008, S. 1816.
[6] Vgl. BR-Drucks. 344/08 S. 131.

2.1.4.3 Aktivierungszeitpunkt

 

Rz. 53

Ausweislich der Regierungsbegründung ist eine Aktivierung nicht erst vorzunehmen, wenn ein selbst erstelltes immaterielles Anlagegut vorliegt, vielmehr hat eine Aktivierung bereits bei der Entwicklung zu erfolgen.[1] Folglich muss innerhalb der Entwicklungsphase der Zeitpunkt bestimmt werden, ab dem die Voraussetzungen eines Vermögensgegenstandes vorliegen.[2] Hierbei hat der Bilanzierende eine zukunftsgerichtete Prognose zu erstellen, um zu beurteilen, ob durch die Entwicklung ein Vermögensgegenstand zur Entstehung gelangt.[3] Diesbezüglich muss zum Aktivierungszeitpunkt "mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass ein einzeln verwertbarer immaterieller Vermögensgegenstand des Anlagevermögens"[4] ent...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge