8.2.1 Grundsatz

 

Rz. 365

Der Bestellung einer Person als Geschäftsführer liegt ein enormes Vertrauen seitens der Gesellschafter zugrunde, was insbesondere an der gegenüber Dritten unbeschränkbaren Vertretungsbefugnis gem. § 37 Abs. 2 GmbHG deutlich wird. Ist dieses Vertrauen zerstört, so muss es möglich sein, diese Rechtsstellung zu beendigen. Hierfür statuiert § 38 Abs. 1 GmbHG den Grundsatz der jederzeitigen freien Widerruflichkeit der Bestellung eines Geschäftsführers.

 

Rz. 366

Die Abberufung des Geschäftsführers obliegt gem. § 46 Nr. 5 GmbHG grundsätzlich den Gesellschaftern. Der abzuberufende Gesellschafter-Geschäftsführer ist nur dann gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn die Abberufung aus wichtigem Grund erfolgt.[1] Für eine Abberufung bedarf es nach der gesetzlichen Regelung des § 38 Abs. 1 GmbHG nicht einmal des Vorliegens konkreter Gründe, es sei denn die Satzung sieht gem. Abs. 2 bestimmte Voraussetzungen für eine Abberufung vor.[2] Insbesondere kann die Satzung festlegen, dass eine Abberufung nur bei Vorliegen wichtiger Gründe zulässig ist, andersherum kann eine Abberufungskompetenz aus wichtigen Gründen nicht abbedungen werden.

 

Rz. 367

Ist ein Gesellschafter zum Geschäftsführer berufen, so kann letztlich für die grundlegenden Voraussetzungen seiner Abberufung verwiesen werden. Die dort dargestellten Grundsätze finden nicht nur bei der Abberufung eines Fremdgeschäftsführers, sondern ebenso bei der Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers Anwendung. Dennoch existieren bei der Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einige Besonderheiten, die die Möglichkeiten des Widerrufs der Bestellung einschränken können:

  • die gesellschafterliche Treuepflicht,
  • die Geschäftsführungsbefugnis als mitgliedschaftliches Sonderrecht und
  • Besonderheiten bei der Zwei-Personengesellschaft.
[1] Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, § 38 Rn. 25.
[2] Evtl. Verstoß gegen §§ 226, 826 BGB bei offenbar unsachlichen Gründen.

8.2.2 Einschränkungen durch Treuepflicht

 

Rz. 368

Sieht die Satzung kein Sonderrecht des Gesellschafters auf Geschäftsführung oder Abberufungsbeschränkungen vor, so kann einer freien Widerruflichkeit der Bestellung durch Gesellschafterbeschluss[1] dennoch die gesellschafterliche Treuepflicht entgegenstehen. Hiernach haben die Gesellschafter bei der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zu nehmen. Demnach könnten die Gesellschafter dazu angehalten sein, ihr Stimmrecht anders auszuüben als bei der Abberufung eines Fremdgeschäftsführers.

 

Rz. 369

Es ist diesbezüglich anerkannt, dass es zur Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers zwar keines wichtigen, aber eines sachlichen Grundes bedarf, der einen verständigen Entscheidungsträger zur Abberufung veranlassen würde.[2] Ein Treuepflichtverstoß liegt z. B. vor, wenn die Abberufung auf willkürlichen Motiven beruht.

[1] Teilweise wird vertreten, dass – jedenfalls in einer Zwei-Personen-GmbH - in einer Analogie zu §§ 117, 127 HGB eine gerichtliche Entscheidung über die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis mit dem Erfordernis eines wichtigen Grundes nötig sei (z. B. Wolf, ZGR 1998, S. 92, 101 ff.). Dies ist jedoch abzulehnen, da Hintergrund dieser Regelungen die im GmbH-Recht nicht existente persönliche Haftung der OHG-Gesellschafter ist, weshalb diese ein erhöhtes Bedürfnis haben, ihre jeweilige Position aufrechtzuerhalten.
[2] OLG Zweibrücken, Urteil v. 30.10.1997, 4 U 11/97, GmbHR 1998 S. 373, 374; OLG Zweibrücken, Urteil v. 5.6.2003, 4 U 117/02, GmbHR 2003 S. 1206, 1207; a. A.: Stephan/Tieves, in MüKo-GmbHG, § 38 Rn. 17 (entscheidend sei nur, ob der Gesellschaft durch die Abberufung ohne hinreichenden Grund ein Schaden zugefügt wird).

8.2.3 Geschäftsführerstellung als mitgliedschaftliches Sonderrecht

 

Rz. 370

Ist dem Gesellschafter die Geschäftsführung in der Satzung als mitgliedschaftliches Sonderrecht eingeräumt worden und liegt kein wichtiger Grund zur Abberufung vor, so ist seine Abberufung gem. § 35 BGB von seiner Zustimmung abhängig.[1] Dies gilt ebenso, wenn zwar ein wichtiger Grund zur Abberufung vorhanden ist, die Abberufung allerdings nicht das mildeste Mittel darstellt, sondern beispielsweise eine Beschränkung der Geschäftsführerbefugnisse ausreichend wäre.[2]

Wird die Zustimmung verweigert, so wird die Abberufung erst wirksam, wenn eine entsprechende Entscheidung erwirkt wurde und deren Rechtskraft eingetreten ist.[3]

[1] Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff, § 38 Rn. 10.
[2] Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff, § 38 Rn. 23, 35
[3] Terlau, in Michalski, § 38 Rn. 69.

8.2.4 Sonderkonstellation: Zwei-Personen-Gesellschaft

 

Rz. 371

Handelt es sich bei der Gesellschaft um eine Zwei-Personen-Gesellschaft, so könnte stets ein Gesellschafter durch die Behauptung des Vorliegens eines wichtigen Grundes einen Stimmrechtsausschluss bei dem anderen Gesellschafter herbeiführen und dessen Abberufung beschließen. Insbesondere könnte dies wechselseitig geschehen.

Dass eine sofortige oder auch nur bis zur gerichtlichen Klärung vorläufige Wirksamkeit der Abberufungen wie bei § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG in solchen Fällen nicht wünschenswert ist, liegt auf d...

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