Neben der eigentlichen Beschäftigung mit der Servitization und der Einbindung des Controllings, lohnt auch ein Blick auf die Lösungsansätze der Service Excellence-Community. Nachfolgend wird im Exkurs ein Überblick über die diesbezüglichen Aktivitäten gegeben sowie auch erste Bezüge zum Controlling skizziert.

2.7.1 Relevanz von Services und Service Excellence für Industrieunternehmen

Die Situation auf diversen B2B-Märkten wird immer schwieriger. Dies ist grundsätzlich keine neue Erkenntnis bzw. Entwicklung, wird aber aufgrund der mit der Corona-Pandemie einhergehenden Herausforderungen, wie Lieferengpässen, steigenden Rohstoff- und Energiekosten, anwachsenden Digitalisierungsanforderungen u.ä., nochmals stark befeuert. So mussten z. B. etwa 80 Prozent der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer im Jahr 2020 Umsatzeinbußen hinnehmen. Der Umsatz im Jahr 2020 lag rund 11 Prozent unter dem des Vorjahrs[1]. Ein Lösungsansatz, der schon seit Jahren – jedoch häufig noch viel zu halbherzig – eingesetzt wird, ist der Ausbau des industriellen Servicegeschäfts im Sinne der Servitization wie im vorherigen Kapitel ausführlich dargestellt. Laut einer Studie des Kundendienst-Verbands Deutschland KVD erzielten 76 Prozent der 2020 befragten Unternehmen, darunter waren 45 Prozent Maschinen- und Anlagenbauer, einen servicebezogenen Umsatzanteil von mehr als 10 Prozent[2]. So steigt der Umsatzanteil der industriellen Dienstleistungen in den vergangenen Jahren zwar nur leicht, aber noch immer stetig an[3]. Diese in Summe doch eher verhaltene Serviceentwicklung ist insofern etwas verwunderlich, da verschiedenste Studien die positiven Effekte eines starken Servicegeschäfts eindeutig belegen. So zeigt z. B. eine Studie von VDMA und goetzpartners (2017) zu den relevanten Einflussgrößen des Serviceerfolgs im Maschinen- und Anlagenbau, dass Best-in-Class-Unternehmen einen bis zu 70 Prozent höheren Anteil des Serviceumsatzes am Gesamtumsatz bei einer signifikant höheren Profitabilität realisieren. Industrielle Service Champions können demnach von bis zu 30 Prozent Mehrumsatz und attraktiven Margen von bis zu 25 Prozent profitieren[4]. Folglich sollte die Zielsetzung für Industrieunternehmen sein, sich nicht nur als Marktführer bei den Produkten, sondern auch bei den industriellen Dienstleistungen im Sinne der Transformationsstufen der Servitization zu etablieren. Plant ein Industrieunternehmen Marktführer zu werden (oder zu bleiben), dann braucht es letztlich Top-Produkte, einen Top-Service am Markt und optimierte Prozesse innerhalb des Unternehmens (s. Abb. 8). Ein zentraler Erfolgsfaktor hierfür ist, neben einer Produkt- und Technologieorientierung gleichermaßen eine kundenzentrierte Ausrichtung des Unternehmens umzusetzen.

Abb. 8: Dreiklang des Markterfolgs von Industrieunternehmen[5]

Im Rahmen dieses Exkurses liegt der Fokus auf der unternehmerischen Aufgabe der Service Excellence.

[1] VDMA, 2021.
[2] Vgl. KVD, 2020.
[3] Vgl. VDMA & goetzpartners, 2017.
[4] Vgl. Hartje et al., 2019.
[5] In Anlehnung an Gouthier, 2022a.

2.7.2 Verständnis von Service Excellence

Unter dem Begriff der Service Excellence werden die "Fähigkeiten einer Organisation, beständig exzellente Dienstleistungen zu erbringen"[1] verstanden. Somit ist das primäre Ziel von Service Excellence, kontinuierlich exzellente Services als Output zu generieren, die ihrerseits diverse Outcomes, wie z. B. herausragende Kundenerlebnisse, erzeugen, die wiederum in einer Begeisterung der Kunden münden sollen, um letztlich eine stärkere Kundenloyalität zu erzielen[2]. Da in dieser Wirkkette der Service Excellence vor allem "weiche, nicht-monetäre Zielsetzungen" adressiert sind, ist die Schaffung eines einheitlichen Verständnisses und Umgangs mit den relevanten Themen herausfordernd, aber auch dringend erforderlich. Serviceorganisationen können davon profitieren, wenn sie ihre Geschäftsstrategien darauf ausrichten, den Kunden exzellente Dienstleistungen anzubieten[3]. Exzellentes zu leisten, bedeutet weit Überdurchschnittliches zu produzieren. Service Excellence ist daher nicht als massenmarkttaugliches Managementkonzept zu verstehen, sondern hat den Anspruch, ein Unternehmen in Bezug auf die angebotenen (industriellen) Dienstleistungen unter die besten fünf bis zehn Prozent der Unternehmen in einem Markt zu katapultieren[4]. Entsprechend reicht es nicht aus, auf Dauer nur an einzelnen Stellschrauben zu drehen, sondern das Unternehmen muss sich umfassend in Richtung der Service Excellence entwickeln. Dazu wurde vom Technischen Komitee ISO/TC 312 "Excellence in Services", dessen Chairman der Autor des Beitrages ist, die im Juni 2021 erschienene ISO-Norm 23592:2021 erarbeitet. Diese weist ein Service-Excellence-Modell aus, das aus vier Dimensionen mit insgesamt neun Elementen besteht (s. Abb. 9).

Abb. 9: Das Service-Excellence-Modell nach ISO 23592:2021

Wie Abb. 9 entnommen werden kann, widmet sich das neunte Element des Service-Excellence-Modells der Erfolgsmessung und bildet die Aufgabe eines Service-Excellence-Controllings ab. Auf diese Managementaufgabe wird im nachstehenden Abschnitt näher eingegangen.

[1]...

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