rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung von Verlusten bei einer gewerbesteuerlichen Mehrmütterorganschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Gewerbeverluste, die durch eine Organgesellschaft in den Jahren 2000 - 2001 verursacht wurden, sind der von den Gesellschaftern Zwecke der Ausübung einer einheitlichen Willensbildung gegenüber der Organgesellschaft gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zuzurechnen und wegen der entgegenstehenden gesetzlichen Regelungen des § 2 Abs. 2 S. 3 GewStG i.d.F. des UntStFG und des § 14 Abs. 2 S. 1 KStG i.d.F. des UntStFG und nicht den unmittelbar an der Organgesellschaft beteiligten Gesellschaftern.
  2. Die gesetzlich angeordnete Rückwirkung der gesetzlichen Grundlagen ist verfassungsrechtlich zulässig.
  3. Das gleiche gilt für den im Jahr 2002 durch eine Organgesellschaft verursachten Gewerbeverlust.
  4. Die Willensbildung-GbR wird durch die Neuregelung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften durch das StVergAbG ab dem 31.12.2002 nicht auf der Ebene der Gesellschafter fortgesetzt.
 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2 S. 3; KStG § 14 Abs. 2 S. 1, Abs. 1; GewStG § 36 Abs. 2 S. 3; UmwStG § 18 Abs. 1 S. 2

 

Streitjahr(e)

2000, 2001, 2002

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in dem vorliegenden Verfahren darüber, ob die in den Jahren 2000 bis 2002 durch eine Organgesellschaft verursachten Gewerbeverluste den unmittelbar an der Organgesellschaft beteiligten zwei Gesellschaftern oder der von diesen Gesellschaften gebildeten Vereinigung in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Klägerin zu 3., zuzurechnen waren und in dem abgetrennten Verfahren 8 K 442/17 darüber, ob die Verluste zumindest im Billigkeitswege den Muttergesellschaften oder der in eine andere Rechtsform umgewandelten Organgesellschaft zuzurechnen sind.

Durch Abtretungsvertrag und Beschluss der Gesellschafterversammlung vom Oktober 1999 beteiligten sich die H-AG (heute A-AG, Klägerin zu 1.) und die B-AG (Klägerin zu 2.) im Rahmen eines joint venture zu jeweils 50 % an der im Juni 1998 auf Vorrat gegründeten F-GmbH. Entsprechend der bis zu dem BFH-Urteil vom 09.06.1999  I R 43/97 (Bundessteuerblatt II 2000, 695) geltenden Rechtsprechung und Verwaltungspraxis hinsichtlich der Auslegung des § 10a Gewerbesteuergesetz und des § 2 Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz, jeweils in der Fassung vor den Änderungen durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom 20.12.2001 (BGBL I 2001, 3858), gründeten diese beiden Muttergesellschaften am 28.12.1999 die Klägerin zu 3., die E-GbR. Diese GbR übte keine eigenständige gewerbliche Tätigkeit aus, ihr einziger Zweck war die Ausübung einer einheitlichen Leitungsmacht bei der F-GmbH. Mit Vertrag vom 28.12.1999 schlossen die F-GmbH als Organgesellschaft und die Klägerin zu 3. als Organträger einen Ergebnisabführungsvertrag, in dem sich die F-GmbH unter anderem verpflichtete, ab dem Jahr 2000 ihre gesamten Gewinne an die  Klägerin zu 3. abzuführen.

Diese Zwischenschaltung einer so genannten Willensbildungs-GbR entsprach der bis in das Jahr 1999 geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BFH-Urteil vom 14.04.1993 I R 128/90, Bundessteuerblatt II 1994, 124 m. w. N.) und Verwaltungspraxis (Abschnitt 52 Abs. 6 Körperschaftsteuerrichtlinien 1995 und Abschnitt 14 Abs. 6 Gewerbesteuerrichtlinien 1998) zur sog. „Mehrmütterorganschaft”, wonach ein Organschaftsverhältnis nur zu einer Gesellschaft, der sog. Willensbildungs-GbR, bestehen konnte. In diesen Fällen der „Mehrmütterorganschaft” wurden die Gewerbeverluste der Organgesellschaft, im Regelfall eine GmbH, steuerlich bei der GbR berücksichtigt. Mit zwei Urteilen vom 09.06.1999 (I R 43/97, a. a. O. und I R 37/98, BFH/NV 2000, 347) hatte der Bundesfinanzhof jedoch seine bisherige Rechtsprechung zur „Mehrmütterorganschaft” aufgegeben und entschieden, dass die Beteiligungen der lediglich zur einheitlichen Willensbildung in einer GbR zusammengeschlossenen Gesellschaften an der nachgeschalteten Organgesellschaft unmittelbar den Muttergesellschaften zuzurechnen seien. Ein Organschaftsverhältnis könne nach der Lehre von der mehrfachen Abhängigkeit nicht nur zu einer, sondern auch zu mehreren Gesellschaften bestehen. Die betreffenden Anteile am Gewerbeertrag und am Gewerbekapital seien daher gesondert und einheitlich auf der Ebene der Organgesellschaft festzustellen und anschließend den Muttergesellschaften steuerwirksam zuzurechnen. Folge dieser Rechtsprechungsänderung wäre gewesen, dass bei einer Tochtergesellschaft entstandene gewerbliche Verluste, die bisher der zwischengeschalteten Willensbildungs-GbR zugerechnet worden waren, nunmehr den Muttergesellschaften hätten zugerechnet und dort für Zwecke der Gewerbesteuer mit anderen Einkünften hätten verrechnet werden können.

Das Bundesministerium der Finanzen ordnete durch Erlass vom 04.12.2000 an, dass die Grundsätze der beiden oben genannten BFH-Urteile vom 09.06.1999 bis auf weiteres nicht allgemein anzuwenden seien. Im Hinblick auf eine mögliche gese...

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