Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab 1.11.2008 einen neuen Haftungstatbestand eingeführt, der für den Geschäftsführer sehr gravierend sein kann: Der Geschäftsführer hat der GmbH Zahlungen an Gesellschafter zu erstatten, die er schuldhaft veranlasst hat, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen.

 
Praxis-Beispiel

Zahlung des Verkaufserlöses an den Gesellschafter

G ist Geschäftsführer einer GmbH, die im Bereich Gerüstbau tätig ist. Seit 2 Jahren macht die Gesellschaft Verluste, da sie insbesondere durch die ausländische Konkurrenz systematisch unterboten wird. Aufgrund der hohen Kosten, insbesondere für Personal und die Geschäftsräume, kann die GmbH Aufträge nicht mit Gewinn generieren. Um überhaupt Aufträge zu erhalten und die Kapazitäten auszulasten, werden die Aufträge kostendeckend oder mit Verlusten abgewickelt. Bemühungen, eine Sanierung herbei zu führen, wurden bisher nicht unternommen.

Die Gesellschaft verfügt allerdings über hohe stille Reserven in mehreren ungenutzten Betriebsgrundstücken. Durch die Veräußerungserlöse aus dem Verkauf von einzelnen Betriebsgrundstücken konnte die Gesellschaft bisher die operativen Verluste ausgleichen. Es ist jedoch absehbar, dass – sofern sich die Situation nicht verbessert – die Gesellschaft nach dem Verkauf des letzten Grundstücks in ca. 12 Monaten zahlungsunfähig sein wird. Als das vorletzte Grundstück verkauft wird, weist der Gesellschafter über die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer an, dass dieser Veräußerungserlös an ihn ausgeschüttet wird, weil er dringend für private Zwecke Geld benötigt. Der Geschäftsführer zahlt diesen Betrag aus, muss aber dann das letzte Grundstück verkaufen, damit die GmbH wieder "flüssig" wird.

Nach 12 Monaten ist die Gesellschaft insolvent, weil sich die Lage nicht verbessert hat. Der Insolvenzverwalter verlangt nunmehr vom Geschäftsführer Erstattung des Betrages, den dieser damals an den Gesellschafter geleistet hat. Der Gesellschafter selbst ist nicht mehr in der Lage, die Zahlung zurück zu leisten. Hier muss nun der Geschäftsführer befürchten, in die Haftung genommen zu werden, denn zum Zeitpunkt der Auszahlung war für den Geschäftsführer mit der gebotenen Sorgfalt erkennbar, dass diese Auszahlung die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft mittelbar herbeiführte, jedenfalls sofern sich die geschäftliche Situation nicht verbesserte.

Der Gesetzgeber hat hiermit eine Insolvenzverursachungshaftung eingeführt, die zeitlich sehr weit zurückgehen kann. Eine Frist legt das Gesetz nicht fest. Welcher Ursachenzusammenhang zwischen der Zahlung an den Gesellschafter und den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu fordern ist, muss die Rechtsprechung im Einzelnen klären. Es wird diskutiert, dass der Ursachenzusammenhang ggf. nur bei Ausplünderungsfällen bejaht werden sollte.[1]

[1] Lutter/Hommerhoff, 20. Aufl. 2020, § 64 GmbHG Rn. 62.

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