1 Überblick

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 10.4.2018 die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erklärt hatte, mussten sich Bund und Länder im Eilgang einigen, um die zweitwichtigste Gemeindesteuer nicht auslaufen zu lassen. Ergebnis der Verhandlungen war das Grundsteuer-Reformgesetz v. 26.10.2019 sowie eine Änderung in Art. 72 GG, der nun eine Öffnungsklausel für die Länder enthält, von der bundesgesetzlichen Regelung abzuweichen. Da die erste Hauptfeststellung bereits auf den 1.1.2022 datiert wurde und die erste Hauptveranlagung zum 1.1.2025 erfolgen soll, standen die Länder jeweils hinsichtlich der Entscheidung unter Zugzwang, ob sich die Neubewertung der Grundstücke nach dem bundeseinheitlichen Modell richten soll oder doch davon abgewichen wird.

2 Ausgestaltung der Grundsteuer ab dem 1.1.2022

2.1 Grundsteuer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A)

Die sog. Grundsteuer A, welche auf land- und forstwirtschaftliches Vermögen i.S.d. §§ 232 ff. BewG anzuwenden ist, zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage ausweislich § 236 Abs. 1 BewG allein das Ertragswertverfahren zur Anwendung kommt. Die Höhe des Grundsteuerwerts ist dementsprechend vom Reinertrag der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, der Nutzungsarten und der Nebenbetriebe i.S.d. § 234 Abs. 1 BewG abhängig.[1] Die Steuermesszahl im Bereich der Land- und Forstwirtschaft beträgt nach § 14 GrStG 0,55 ‰. Ein signifikanter Unterschied zur alten Rechtlage ist, dass ausweislich des § 232 Abs. 4 Nr. 1 BewG zukünftig Grund und Boden sowie Gebäude und Gebäudeteile, welche Wohnzwecken oder nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, nicht mehr Bestandteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sind, was neben verfahrensrechtlichen Umständen – der Bewertungsaufwand wird steigen – auch zu einer merklichen steuerlichen Mehrbelastung für Land- und Forstwirte führen könnte.[2]

[1] Vgl. § 237 Abs. 1 BewG. Vgl. mit anschaulicher Darstellung zur Ermittlung des Grundsteuerwerts Scheffler/Feldner, ifst-Schrift 452 2021, S. 30.
[2] Vgl. kritisch Zinke, agrarheute v. 26.11.2021; abrufbar unter: https://www.agrarheute.com/management/finanzen/grundsteuer-a-b-teuer-wirklich-2022-geht-los-587843 (letztes Abrufdatum: 22.3.2022).

2.2 Grundsteuer im Bereich des Grundvermögens (Grundsteuer B)

2.2.1 Bundesmodell im Überblick

Neun Bundesländer, namentlich Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben von der Anwendung der Öffnungsklausel zur Begründung einer eigenen Regelung nach Art. 72 GG abgesehen und das Bundesmodell zur Erhebung der Grundsteuer B übernommen. Das Saarland und Sachsen haben das Bundesmodell, insbesondere den wertorientierten Berechnungsansatz, ebenfalls übernommen. Es wurden von beiden Ländern lediglich kleine Abweichungen im Bereich der Steuermesszahlen festgelegt (s. Abschnitt 2.2.2).

Um das bisher geltende Ermittlungsverfahren unter Verwendung der Einheitswerte als Bemessungsgrundlage abzulösen, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Reform die veralteten Einheitswerte durch den sog. Grundsteuerwert ersetzt. Der Grundsteuerwert ermittelt sich anhand des Bewertungsgesetzes für unbebaute Grundstücke nach § 247 BewG und für bebaute Grundstücke in Abhängigkeit von der Art der Bebauung nach dem Ertragswertverfahren i.S.d. §§ 252 ff. BewG oder dem Sachwertverfahren i.S.d. §§ 258 ff. BewG. Um den Grundsteuerwert unbebauter Grundstücke zu errechnen, ist der Bodenrichtwert pro Quadratmeter[1] mit der jeweiligen Grundstücksfläche zu multiplizieren.[2] § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB definiert den Bodenrichtwert als durchschnittlichen Lagewert, welcher unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands zu ermitteln ist. Nr. 2 Satz 1 BRW-RL präzisiert die Bewertung insofern, dass eine Unterteilung in Bodenrichtwertzonen vorgenommen wird. Die Vergleichbarkeit innerhalb der Zonen wird anhand von bestimmten Grundstücksmerkmalen, die aus der ImmoWertV zu entnehmen sind, sichergestellt.[3] Räumlich zusammenhängende und anhand wertbeeinflussender Merkmale vergleichbare Grundstücke bilden eine Bodenrichtwertzone, für die letztendlich ein einheitlicher Bodenrichtwert heranzuziehen ist.[4]

Für Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohnungsgrundstücke und Wohnungseigentum kommt gem. § 250 Abs. 2 BewG wie im Bereich der Grundsteuer A das Ertragswertverfahren zur Anwendung, wobei sich der Grundsteuerwert aus zwei Komponenten – dem kapitalisierten Reinertrag i.S.d. § 253 BewG und dem abgezinsten Bodenwert i.S.d. § 257 BewG – zusammensetzt. Das Ermittlungsschema des Grundsteuerwerts nach dem Ertragswertverfahren wird aus der folgenden Berechnung ersichtlich:[5]

Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke sind gem. § 250 Abs. 3 BewG im Sachwertverfahren zu bewerten, wobei der Grundsteuerwert in diesem Fall das Produkt aus Bodenwert i.S.d. § 258 BewG zuzüglich Gebäudesachwert i.S.d. § 259 BewG und einer Wertzahl nach Anlage 43 BewG darstellt. Zunächst müssen der Bodenwert ...

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