Der BFH hatte im Jahr 2010 entschieden[1], dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens seiner Auffassung nach jedenfalls für Stichtage bis zum 1.1.2007 noch verfassungsgemäß sind. In Reaktion auf diese Rechtsprechung und zur Vermeidung von Masseneinsprüchen wurden nach den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.4.2012[2] bzw. 18.5.2015[3] (zunächst) Feststellungen der Einheitswerte für Grundstücke[4] und (später zudem auch) für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft[5] sowie Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens verfassungsgemäß sind, nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig durchgeführt.

Allerdings hielt der BFH die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 1.1.2008 bzw. 1.1.2009 für verfassungswidrig, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 für die Einheitsbewertung seiner Ansicht nach zu Folgen führt, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz[6] nicht mehr vereinbar sind. Er legte die in den Ausgangsverfahren anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung[7] dem BVerfG zur Prüfung vor.[8]

 
Hinweis

Bedeutung für Aussetzung der Vollziehung und Erlass von Säumniszuschlägen?

Der BFH hat in einem Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entschieden[9], dass ein Klageverfahren, in dem der Kläger den Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer wegen möglicher Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung begehrt, nicht deshalb nach § 74 FGO auszusetzen ist, weil der BFH dem BVerfG die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung ab 2008 vorgelegt hat. Die beim BVerfG anhängigen Verfahren rechtfertigen nach Auffassung des BFH auch keine Aussetzung der Vollziehung von Einheitswertbescheiden und auch keinen Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer.

[1] BFH, Urteil v. 30.6.2010, II R 60/08, BStBl 2010 II S. 897.

BFH, Urteil v. 30.6.2010, II R 12/09, BStBl 2011 II S. 48; die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde gem. §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.4.2015, 2 BvR 287/11, KuR 2015 S. 219.

[2] BStBl 2012 I S. 490.
[3] BStBl 2015 I S. 439.
[7] §§ 19, 20, 21, 22, 27, 76 Abs. 1, 79Abs. 5 und 93 Abs. 1 Satz 2 BewG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BewÄndG 1965 i. d. F. des Art. 2 des Gesetzes vom 22.7.1970.
[8] BFH, Beschluss v. 17.12.2014, II R 14/13, BFH/NV 2015 S. 475, Az. des BVerfG: 1 BvL 1/15.

BFH, Beschluss v. 22.10.2014, II R 16/13, BStBl 2014 II S. 957, Az. des BVerfG: 1 BvL 11/14.

BFH, Beschluss v. 22.10.2014, II R 37/14, BFH/NV 2015 S. 309, Az. des BVerfG: 1 BvL 12/14.

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