Leitsatz

1. Die auch bei den Einkünften aus § 17 EStG erforderliche Gewinnerzielungsabsicht muss sich auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Kapitalgesellschaft beziehen. Eine auf den einzelnen veräußerten Geschäftsanteil bezogene Betrachtung ist ausgeschlossen.

2. Das für einen bestimmten Geschäftsanteil gezahlte Aufgeld (Agio) erhöht die Anschaffungskosten dieses Anteils, auch wenn die Summe aus dem Nennbetrag und dem Agio den Verkehrswert des Anteils übersteigt (sog. Überpari-Emission; Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27.05.2009 – I R 53/08, BFHE 226, 500). Das gilt jedenfalls für Veräußerungen bis zum 31.07.2019.

3. Die gezielte Herbeiführung eines Verlusts durch die Veräußerung eines GmbH-Geschäftsanteils, dessen Anschaffungskosten aufgrund eines Aufgelds seinen Verkehrswert übersteigen, ist nicht ohne Weiteres rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 der Abgabenordnung.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 und 6, § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG, § 17 Abs. 2a Satz 5, § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG n.F., § 42 AO, § 15 Abs. 2 GmbHG, § 255 Abs. 1 Satz 1, § 272 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 4 HGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin war zu 100 % an einer GmbH beteiligt. Die Gesellschafterversammlung beschloss die Ausgabe eines neuen Anteils im Nennbetrag von 1.000 EUR. Der Erwerber hatte zusätzlich ein Aufgeld von 500.000 EUR zu leisten. Die Klägerin übernahm den neuen Anteil und erbrachte die Gegenleistungen. Anschließend veräußerte die Klägerin 5 % ihrer Beteiligung, darunter den zuletzt gegen Aufgeld erworbenen Anteil, an ihren Ehemann zum Verkehrswert und ermittelte daraus – unter Berücksichtigung des geleisteten Aufgelds – einen Veräußerungsverlust, den das FA mangels Einkünfteerzielungsabsicht bzw. wegen Gestaltungsmissbrauchs nicht anerkannte.

 

Entscheidung

Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.6.2022, 13 K 1149/20 E, Haufe-Index 15307042). Der BFH hat das FG-Urteil im Ergebnis bestätigt und die dagegen gerichtete Revision des FA aus den dargestellten Gründen zurückgewiesen.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil betrifft eine Gestaltung zur Herbeiführung ausgleichsfähiger Veräußerungsverluste (in beliebiger Höhe), der der Gesetzgeber mit der Einführung von § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG entgegengetreten ist. Der entschiedene Fall fiel noch nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Der BFH hat die Gestaltung nicht beanstandet. Ob die Gestaltung im Anwendungsbereich von § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG noch möglich wäre, war nicht Gegenstand des Urteils. Das Urteil enthält insbesondere grundlegende Ausführungen zur Gewinnerzielungsabsicht bei § 17 EStG.

1. Die Absicht der Einkünfteerzielung ist ein in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG geregeltes Merkmal für Einkünfte aller Einkunftsarten. Fehlt es, liegen keine steuerbaren Einkünfte vor.

a) Einkünfte gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erzielt nur, wer die Anteile mit der Absicht der Gewinnerzielung erwirbt und hält (allgemeine Ansicht). Eine bestimmte Haltedauer wird nicht vorausgesetzt. Die Rechtsprechung bejaht die Gewinnerzielungsabsicht auch, wenn die Beteiligung nur für kurze Zeit gehalten wurde.

b) Soll die Gewinnerzielungsabsicht verneint werden, bedarf es dazu i.d.R. konkreter Anhaltspunkte. Veräußerungsverluste begründen für sich genommen grundsätzlich keine Zweifel am Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht, sondern sind im Einzelfall allenfalls an § 42 AO zu messen.

c) Neu: Bei Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht in § 17 EStG kommt es auf die Beteiligung und nicht auf den einzelnen Anteil an.

aa) Zwar erfüllt auch die Veräußerung nur eines Anteils den Tatbestand und kommt es für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf die dem jeweiligen Anteil zuzuordnenden Anschaffungskosten an. Außerdem ist auch das in § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG geregelte Verlustberücksichtigungsverbot anteilsbezogen ausgestaltet.

bb) Für die Gewinnerzielungsabsicht ist aber eine zusammenfassende Betrachtung geboten. Das ergibt sich aus systematischen Erwägungen. So ist die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht auf den Totalgewinn gerichtet und nicht abschnittsbezogen auf einzelne Zwischengewinne oder -verluste. Außerdem werden bei der Totalgewinnprognose nicht nur Wertsteigerungen der Anteile berücksichtigt, sondern auch laufende Erträge aus Ausschüttungen, die zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Eine isolierte Betrachtung würde außerdem dazu führen, dass sich hinsichtlich einzelner nicht anerkannter Veräußerungsvorgänge Anschaffungskosten der Beteiligung steuerlich nicht auswirken würden. Das wäre mit dem Zweck des § 17 EStG nicht zu vereinbaren. Und schließlich wäre der neu eingefügte § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG überflüssig, wenn die verlustträchtige Veräußerung einzelner Anteile bereits mangels Gewinnerzielungsabsicht steuerlich nicht anzuerkennen wäre.

cc) Es kommt auf die Gesamtheit der gehaltenen, nicht auf die der veräußerten Anteile an (Klarstellung des FG-Urteils).

2. Der Veräußerungsgewinn wird dagegen anteilsbezogen ermittelt.

a) Veräußerungspreis: Ist eine besondere Aufteilung...

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