Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilsveräußerung: Zuordnung des im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlten Aufgeldes – Einheitliche Überprüfung der Gewinnerzielungsabsicht; Gestaltungsmissbrauch

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Gewinnerzielungsabsicht bei einer Anteilsveräußerung i.S.d. § 17 EStG ist auch dann nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen, wenn unter Geltung der Rechtslage vor der Einfügung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG mit dem Gesetz v. 12.12.2019 das von dem Veräußerer im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlte Aufgeld ausschließlich den Anschaffungskosten des mitveräußerten neu geschaffenen Anteils zuzuordnen war (vgl. BFH-Urteil vom 27.05.2009 I R 53/08, BFH/NV 2010, 375).
  2. Ungeachtet dieser Zuordnung der Anschaffungskosten stellt der Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung keinen der steuerlichen Anerkennung eines hieraus resultierenden Veräußerungsverlustes entgegenstehenden Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar.
 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c, § 3c Abs. 2 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 2a S. 5, § 52 Abs. 25a; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 1; AO § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.05.2023; Aktenzeichen IX R 12/22)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Klägerin, die gemeinsam mit ihrem Ehemann - dem Kläger - zur Einkommensteuer veranlagt wird, war ursprünglich Alleingesellschafterin der am 13.11.2015 gegründeten A GmbH (GmbH), deren Gegenstand der Ankauf und die Verwaltung von Bestandsimmobilien ist. Das Stammkapital betrug bei Gründung 25.000 € und war eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 € (lfd. Nr. 1 bis 25.000).

Mitte Dezember 2015 (Streitjahr) beschloss die Klägerin eine Kapitalerhöhung und schuf zur Durchführung einen neuen Geschäftsanteil mit der lfd. Nr. 25.001 (Neuanteil) im Nennbetrag von 1.000 €. Neben der Einlage i.H.v. 1.000 €, zahlte die Klägerin gemäß Punkt 3 des Kapitalerhöhungsbeschlusses, ein Aufgeld i.H.v. 500.000 € in die Kapitalrücklage der GmbH ein.

Kurz darauf veräußerte die Klägerin die Geschäftsanteile mit den lfd. Nr. 24.701 bis 25.001 (veräußerte Beteiligung) zu einem Kaufpreis i.H.v. 26.300 € an den Kläger.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG i.H.v. - 285.000 € geltend. Dem lag folgende Berechnung zu Grunde:

Veräußerungspreis

 26.300 €

 ./.Nennwert Geschäftsanteile lfd. Nr. 24.701 bis 25.000

 300 €

 ./.Nennwert Geschäftsanteil lfd. Nr. 25.001

 1.000 €

 ./.Aufgeld für den Geschäftsanteil lfd. Nr. 25.001

 500.000 €

 Summe Anschaffungskosten

 501.300 €

 - 501.300 €

 Einkünfte

 - 475.000 €

 Einkünfte (nach Teileinkünfteverfahren)

 - 285.000 €

Mit Bescheid vom 14.09.2018 setzte der Beklagte (Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer auf 0 € fest. Abweichend von der Steuererklärung berücksichtigte er - unter Verneinung einer Gewinnerzielungsabsicht bezüglich des Neuanteils - einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile mit den lfd. Nr. 24.701 bis 25.000 (veräußerte Altanteile) i.H.v. 5.770 €. Dem lag folgende Berechnung zugrunde:

 Altanteile

 Neuanteil

 Veräußerungspreis

 6.070 €

 20.230 €

 ./. Nennwert

 300 €

 1.000 €

 ./. Aufgeld

 500.000 €

 Einkünfte (ohne Teileinkünfteverfahren)

 5.770 €

 - 480.770 €

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass der erklärte Veräußerungsverlust anzuerkennen sei, da die veräußerten Anteile insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht erworben und gehalten worden seien. Im Rahmen des § 17 EStG sei das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht einheitlich für die gesamte veräußerte Beteiligung und nicht hinsichtlich jedes einzelnen veräußerten Anteils zu prüfen.

Hierfür spreche bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, der bei der Formulierung “unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt” ausdrücklich auf die Beteiligung als Prüfungsgegenstand abstelle.

Auch ein Vergleich mit den sonstigen gewerblichen Einkünften, denen die hier streitigen Einkünfte zugeordnet würden, spreche für eine einheitliche Beurteilung. Bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs werde nicht jedes einzelne mitveräußerte Wirtschaftsgut auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht überprüft. Ebenso wie ein Gewerbetreibender mit einer Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter unter Preis ggfs. eine spätere Gewinnerzielung beabsichtige, stehe auch im vorliegenden Fall dem Verlust aus der Veräußerung des Neuanteils ein Gewinn aus der Veräußerung der bereits veräußerten Altanteile sowie ein ggfs. in Zukunft zu erzielender Gewinn aus der Veräußerung der anderen Anteile mit den lfd. Nr. 1 bis 24.700 gegenüber.

Es gäbe auch keinen ersichtlichen Grund, warum eine einheitliche Beteiligung künstlich in mehrere Beteiligungen aufgespalten werden s...

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