Rz. 88

Der Umfang des notwendigen Betriebsvermögens sowie des notwendigen Privatvermögens ist grundsätzlich identisch mit dem bei Bilanzierenden.[1]

 

Rz. 89

Um sicherzustellen, dass der Totalgewinn bei der Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich und Einnahmenüberschussrechnung identisch ist, hat der BFH die Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen auch im Falle der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung zugelassen, auch wenn dieses überwiegend privat genutzt wird.[2] Der BFH begründet dies damit, dass die vorherige[3] unterschiedliche Behandlung von notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen bei den einzelnen Gewinnermittlungsarten nicht durch das Gesetz gerechtfertigt sei. § 4 Abs. 3 EStG ordne keinen anderen Betriebsvermögensbegriff an als den des § 4 Abs. 1 EStG. Werde dem Einnahmenüberschussrechner die Möglichkeit untersagt, gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilden, ergäbe sich zwangsläufig ein unterschiedlicher Gesamtgewinn. Dieser bedinge eine unterschiedliche Steuerbelastung der laufenden Einkünfte sowie des Betriebsveräußerungs- und ‐aufgabegewinns. Nach Auffassung des BFH ist dieser Gleichheitsverstoß (Art. 3 GG) auch nicht durch das Wahlrecht, den Betriebsvermögensvergleich durchzuführen, sachlich zu rechtfertigen. Der Zwang, allein zum Zweck der Bildung gewillkürten Betriebsvermögens zum Bestandsvergleich überzugehen, würde den Vereinfachungszweck der Einnahmenüberschussrechnung zumindest vorübergehend vereiteln und eine zusätzliche Komplizierung durch eine Maßnahme bewirken, die alsbald wieder rückgängig gemacht würde.

Zuvor ermöglichte die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG bei einem Wechsel der Gewinnermittlungsart, gewillkürtes Betriebsvermögen, das zulässigerweise bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gebildet wurde, auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung fortzuführen. Es handelte sich dabei um sogenanntes "geduldetes Betriebsvermögen". Durch die geänderte Rechtsprechung des BFH ist diese Ausnahmeregelung jedoch überflüssig und wurde daher gestrichen.[4]

 

Rz. 90

Der BFH teilt in seiner neueren Rechtsprechung nicht die Befürchtung der Finanzverwaltung, der Akt der Willkür sei bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG – da ohne Buchführung – nicht eindeutig nachvollziehbar. Der Zuordnungsakt muss sich nicht aus dem eigentlichen Buchführungswerk ergeben. So kann die zeitnahe Aufnahme des erworbenen Wirtschaftsgutes in das betriebliche Bestandsverzeichnis ausreichen und sich im Fall einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sogar anbieten.[5]

 

Rz. 91

Im Hinblick auf die vom BFH aufgestellten hohen Nachweisanforderungen empfiehlt es sich, die unterjährige Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen mit entsprechenden Aufzeichnungen dem Finanzamt bereits vor Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem die Zuordnung erfolgt, gesondert anzuzeigen, um jegliche Risiken auszuschließen.[6] Sollten verlustträchtige Wirtschaftsgüter als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, ist nach derzeitiger Einschätzung ein sicherer Nachweis der Zuordnung nur durch eine sofortige Mitteilung an das Finanzamt möglich. Auch sonstige Maßnahmen, aus denen eine eindeutige, zeitnah getroffene und endgültige Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen hervorgeht, sind ausreichend, jedoch stärker mit dem Risiko behaftet, dass das Finanzamt deren tatsächliche Durchführung infrage stellt.[7] Es ist abzusehen, dass der Nachweis der rechtzeitigen Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung größere Probleme bereiten wird als im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs; insbesondere wenn sich der Verdacht einer rückwirkenden Einlage aufdrängt, um eingetretene Verluste steuerwirksam zu machen.

[4] Nach dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen v. 28.4.2006 wurde der in § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG enthaltene Verweis auf § 4 Abs. 3 EStG gestrichen.
[6] Neumann, SteuerStud 2005, S. 586.
[7] Neumann, SteuerStud 2005, S. 586.

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