Leitsatz (amtlich)

Ging ein Gewerbetreibender vor Außerkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. von der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich (§ 5 EStG) zur Gewinnermittlung durch Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) über, braucht er im Jahr des Übergangs die im Grund und Boden ruhenden stillen Reserven nicht zu versteuern.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1 S. 5 a. F, Abs. 3, § 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Verpächterin einer Gastwirtschaft, die sie bis 1966 selbst betrieben hatte. Anläßlich der Verpachtung wurde keine Betriebsaufgabe erklärt. Die Klägerin ermittelte den Gewinn zunächst weiterhin nach § 5 EStG. Am 1. Januar 1968 ging sie zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG über. Sie erklärte für 1968 einen gewerblichen Verlust von 1 710 DM. Andererseits nahm sie wegen des Wechsels der Gewinnermittlungsart eine Hinzurechnung von 180 DM vor.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erhöhte die Hinzurechnung um 15 970 DM und veranlagte die Klägerin für 1968 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb von 14 440 DM. Der Erhöhungsbetrag ist die Differenz zwischen dem Teilwert (25 870 DM) und dem Buchwert (9 900 DM) des Grund und Bodens des Gaststättengrundstücks zu Beginn der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.

Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage statt. Es hat in seinem Urteil, das in den EFG 1972, 12 veröffentlicht ist, ausgeführt: Es sei unrichtig, die stillen Reserven im Grund und Boden anläßlich des Wechsels in der Gewinnermittlungsart aufzudecken (a. A. Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1964, BStBl II 1965, 5, unter II 3 Abs. 2). Eine Entnahme liege nicht vor. Es fehle an einer Entnahmehandlung. Der Grund und Boden sei Betriebsvermögen geblieben. Die statistisch festzuhaltenden stillen Reserven könnten erst im Zeitpunkt einer Gewinnrealisierung durch Veräußerung usw. versteuert werden.

Das FA macht mit der Revision geltend: Der Zweck der Entnahmevorschriften bestehe vor allem darin, die Erfassung der stillen Reserven zu gewährleisten (Urteil des BFH vom 16. März 1967 IV 72/65, BFHE 88, 129, BStBl III 1967, 318). Hiervon ausgehend, müsse jede Überführung von Wirtschaftsgütern in einen Bereich, in dem sie nicht nach den gleichen steuerlichen Grundsätzen wie bisher zu erfassen seien, eine Entnahme sein. Das sei für die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebstätte anerkannt worden (BFH-Urteil vom 16. Juli 1969 I 266/65, BFHE 97, 342, BStBl II 1970, 175). Gleiches gelte hinsichtlich des Grund und Bodens beim Wechsel in der Gewinnermittlung von § 5 EStG nach § 4 Abs. 3 EStG. Entnahmehandlung sei die Wahl einer anderen Gewinnermittlungsart.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Klägerin hat nach der Verpachtung ihrer Gastwirtschaft keine Betriebsaufgabeerklärung abgegeben. Sie ist sonach Gewerbetreibende geblieben (BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Da sie nicht nach den §§ 160, 161 der AO verpflichtet war, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßige Abschlüsse zu machen, konnte sie wählen, ob sie ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 5 EStG oder durch Einnahmeüberschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln wollte. Diese beiden Gewinnermittlungsarten unterschieden sich im Streitjahr u. a. darin, daß bei der Einnahmeüberschußrechnung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. der Wert des Grund und Bodens, der zum Anlagevermögen gehörte, außer Ansatz blieb. § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a. F. ist erst durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1971 (BGBl I, 1266, BStBl I, 373) aufgehoben worden.

Der von der Klägerin zum 1. Januar 1968 gewählte Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG hatte nicht zur Folge, daß die im Grund und Boden des Gaststättengrundstücks ruhenden stillen Reserven aufzudecken waren.

Die stillen Reserven können nicht im Rahmen der Gewinnkorrektur erfaßt werden, die infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart erforderlich ist (u. a. BFH-Urteile vom 2. Februar 1966 I 372/62, BFHE 85, 234, BStBl III 1966, 294; vom 23. Juli 1970 IV 270/65, BFHE 99, 540, BStBl II 1970, 745). Diese Gewinnkorrektur soll ausgleichen, daß infolge des Wechsels Betriebseinnahmen oder Betriebsausgaben entweder gar nicht oder doppelt berücksichtigt werden. Sie dient damit dem gleichen Zweck wie die Gewinnkorrektur, die umgekehrt beim Übergang von der Gewinnermittlung durch Einnahmeüberschußrechnung zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich stattfindet (u. a. BFH-Urteile vom 28. Mai 1968 IV R 202/67, BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650; vom 7. Dezember 1971 VIII R 22/67, BFHE 104, 340, BStBl II 1972, 338). Wesentliche Berechnungsgrundlagen sind in beiden Fällen die Buchwerte der Übergangsbilanz. Sie sind in die Korrekturrechnung einzubeziehen, soweit sie bereits die Gewinne der Vergangenheit beeinflußt haben und nochmals die Gewinne der Zukunft beeinflussen werden oder soweit sie - obwohl Betriebseinnahmen oder -ausgaben - ohne Korrektur weder die Gewinne der Vergangenheit noch der Zukunft beeinflussen würden. Es ginge indes über den Rahmen einer derartigen Korrektur hinaus, einkommensteuerrechtlich zulässige Ansätze der Übergangsbilanz aufzustocken. Der Nichtansatz des Grund und Bodens bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG war nicht in dem Unterschied Geldrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) - Vermögensrechnung (§ 5 EStG) begründet, der allein zu einer Gewinnkorrektur i. S. der angeführten Rechtsprechung berechtigt. Die stillen Reserven im Grund und Boden sind nichtrealisierte Gewinne, die weder nach § 5 EStG noch nach § 4 Abs. 3 EStG aufgedeckt werden müssen.

Eine Entnahme ist bereits deswegen zu verneinen, weil der Grund und Boden nach dem Wechsel der Gewinnermittlungsart (notwendiges) Betriebsvermögen blieb. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt des FA stellt und Entnahmen auch für möglich hält, wenn Wirtschaftsgüter in einen Bereich überführt werden, in dem sie nicht nach den gleichen steuerlichen Grundsätzen wie bisher behandelt werden, wäre im vorliegenden Fall eine Entnahme abzulehnen. Jede Entnahme erfordert auch eine Entnahmehandlung, die in den vom FA zitierten BFH-Urteilen deswegen bejaht werden konnte, weil bei der Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem gewerblichen Betriebsvermögen in einen anderen landoder forstwirtschaftlichen Betrieb (BFH-Urteil IV 72/65) oder ins Ausland (BFH-Urteil I 266/65) unmittelbar auf die einzelnen Wirtschaftsgüter eingewirkt wurde. Hier fehlt es an jeder - selbst einer mittelbaren - Einwirkung auf den Grund und Boden. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart läßt den Bestand des Betriebs und die Zusammensetzung des Betriebsvermögens unberührt.

Der Senat braucht nicht die vom FG aufgeworfene Frage zu entscheiden, ob bei einer späteren Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder einer Veräußerung oder Entnahme des Grund und Bodens die bis zum Wechsel der Gewinnermittlungsart angefallenen stillen Reserven zu versteuern sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70821

BStBl II 1974, 314

BFHE 1974, 83

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