Der Vertrag setzt den Rahmen für die Bilanzierung, ist aber noch nicht das Bilanzierungsobjekt. Das Unternehmen hat seine Leistungsverpflichtungen zu identifizieren. Dabei gilt: ein Vertrag oder die Summe der zusammengefassten Verträge kann mehrere eigenständige Leistungsverpflichtungen umfassen, die je eigenen Regelungen hinsichtlich des Realisationszeitpunkts unterliegen. Angesprochen ist damit die Problematik der Mehrkomponentengeschäfte. Hierzu folgendes Grundbeispiel:

 

Beispiel

Mobilfunkunternehmen M veräußert Handys vom Typ X für 240 EUR. Schließt der Käufer gleichzeitig einen zweijährigen Mobilfunkvertrag mit monatlicher Zahlung von 25 EUR ab, erhält er das Handy für 60 EUR. Kunden, die einen zweijährigen Mobilfunkvertrag ohne Erwerb eines Handys abschließen, zahlen 20 EUR pro Monat.

Beurteilung

  1. Bei Abschluss eines kombinierten Vertrags liegen zwei unterscheidbare Leistungsverpflichtungen – Handy-Lieferung und Nutzung des Mobilnetzes – vor (IFRS 15.26 ff.).
  2. Deshalb ist das Gesamtentgelt (Transaktionspreis) von 60 EUR + 24 × 25 EUR = 660 EUR aufzuteilen (IFRS 15.73).
  3. Für die Verteilung dieses Betrags sind nach IFRS 15.74 die relativen Einzelveräußerungspreise maßgeblich. Die Summe der Einzelveräußerungspreise beträgt 240 EUR + 24 × 20 EUR = 720 EUR, der Anteil des Handys 240 / 720 = 33,3 %, der Anteil der Netznutzung somit 66,7 %.
  4. Angewandt auf den tatsächlichen Transaktionspreis von 660 EUR sind 220 EUR dem Handyverkauf zuzuordnen (Umsatz sofort) und 440 EUR der Netznutzung (Verteilung auf 24 Monate).

Die Frage, ob unterscheidbare Leistungen vorliegen, ist nicht in allen Fällen so einfach wie im vorstehenden Beispiel. Unterscheidbarkeit bzw. Eigenständigkeit der Leistungen sind gegeben, wenn beide der folgenden Kriterien erfüllt werden (IFRS 15.27):

  • Abstrakte Eigenständigkeit (IFRS 15.27(a)): Der Kunde kann aus einem Leistungsgegenstand unabhängig von anderen Vertragsleistungen Nutzen ziehen, indem er ihn verwendet, verbraucht, über seinem Schrottwert hinaus verkauft usw.
  • Konkrete Eigenständigkeit im Vertragskontext (IFRS 15.27(b)): Die Leistungsverpflichtung ist unterscheidbar von anderen aus dem Vertrag resultierenden Leistungsverpflichtungen, nicht lediglich deren unselbstständiger Bestandteil.

Der zweite Punkt stellt darauf ab, ob es dem Kunden gerade darauf ankommt, alle Leistungen aus einer Hand zu beziehen (dann einheitliche Leistung) oder nicht. Ein subjektives Moment, die Motivlage des Kunden, erlangt damit Bedeutung:

 

Beispiel

U verkauft Waschmaschinen, die lokale Wettbewerber im Schnitt zu einem Abholpreis von 500 EUR anbieten, für 750 EUR, dies aber als full service inkl. Anlieferung, Installation und Mitnahme des Altgeräts. Der Kunde kann die Zusatzleistungen auch abwählen, muss dann aber immer noch 675 EUR für die Waschmaschine zahlen. Ein vornehmlich älterer Kundenkreis entscheidet sich fast ausschließlich für die full-service-Variante. Abholverkäufe finden nur in unwesentlichem Umfang statt.

Beurteilung

Liefer-, Installations- und Abholdienste sind leicht verfügbar. Die abstrakte Eigenständigkeit ist also gegeben.

Waschmaschinenverkauf, Anlieferung, Installation und Mitnahme der Altmaschine sind jedoch komplementäre Leistungen. Unter dem Aspekt der konkreten Eigenständigkeit ist daher zu prüfen, ob der full service, der "Kauf aus einer Hand", gerade ein herausragendes Motiv für den Vertragsschluss ist. Preis und Abnehmerkreis indizieren eine solche Sachlage. Daher sind die abstrakt unterscheidbaren Einzelleistungen konkret als Inputfaktoren eines Leistungsbündels anzusehen. Der Erlös von 750 EUR ist nicht aufzuteilen, sondern mit Erbringung der Installationsleistung und Mitnahme des Altgeräts zu realisieren.

Anders als im vorstehenden Beispiel sind Fälle zu würdigen, bei denen – dokumentiert durch eine relevante Quote der Verkäufe ohne Service und belegt durch die Preisgestaltung (fremdübliche Aufschläge für die Nebenleistungen) – der full service kein überragendes Interesse der Kundschaft ist. Hier liegen eigenständige Leistungen vor, die je eigenen Realisationszeitpunkten unterliegen können.

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