Leitsatz

1. Eine Hinzurechnung von Mieten für Standflächen eines im Reisegewerbe tätigen Imbissbetriebs nach § 8 Nr. 1 Buchst. e des Gewerbesteuergesetzes ist wegen der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion unabhängig davon möglich, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die mit in ihrem Eigentum stehenden Verkaufsflächen arbeiten.

2. Auch eine regelmäßig nur für kurze Zeit erfolgende Anmietung von unterschiedlichen Standflächen bewirkt deren Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen, wenn sich die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen als Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen darstellt.

3. Eine Umqualifizierung von Mieten für Standflächen in Herstellungskosten der angebotenen Produkte scheidet aus, wenn die Aufwendungen bei einer Gesamtbetrachtung unter das Einbeziehungsverbot für Vertriebskosten fallen (§ 255 Abs. 2 Satz 4 des Handelsgesetzbuchs).

 

Normenkette

§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG, § 255 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 HGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, erbringt mit Verkaufsständen an ständig wechselnden Orten gastronomische Leistungen in Form von zubereiteten Speisen. Für die Verkaufsstände mietet sie kurzzeitig – jeweils für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren Wochen – Standplätze auf Märkten, Festivals und anderen Veranstaltungen an. Die zu verkaufenden Speisen bereitet die Klägerin in den Ständen zu. Hierfür erforderliche Betriebsmittel wie Wasser und Strom stellen die Vermieter zur Verfügung. Nach Durchführung einer Außenprüfung bezog das FA auch die Standmieten in die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung mit ein. Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 16.11.2021, 1 K 854/21, Haufe-Index 15137280, EFG 2022, 1125) gab der Klage insoweit statt, als in den Standmieten nicht offen ausgewiesene, aber tatsächlich angefallene und im Schätzungswege zu ermittelnde Betriebskosten enthalten waren.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Die Standplätze seien wegen ihrer untereinander bestehenden Austauschbarkeit trotz der teilweise nur kurzfristigen Anmietung dem Anlagevermögen zuzuordnen. Die Mieten seien auch nicht in die Herstellungskosten der zubereiteten Speisen eingeflossen, da sie schwerpunktmäßig dem Vertrieb der Speisen gedient hätten und eine werterhöhende Wirkung auf die verkauften Produkte zweifelhaft sei.

 

Hinweis

1. Bei der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung von Mietzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG), wird zur Prüfung der Anlagevermögenseigenschaft die Eigentümerstellung des Unternehmens fingiert. Diese Eigentumsfiktion ist voraussetzungslos. Daher kommt es auch bei einem im Reisegewerbe betriebenen Unternehmen, das laufend unterschiedliche Standplätze anmietet, nicht darauf an, ob Vergleichsbetriebe existieren, die hinsichtlich der Standflächen nicht mit angemieteten, sondern mit in ihrem Eigentum stehenden Flächen arbeiten. Es ist auch unerheblich, ob es wirtschaftlich sinnvoll wäre, die jeweils angemieteten Standplätze vorübergehend oder auf Dauer zu Eigentum zu erwerben, um auf diesen das Reisegewerbe ausüben zu können. Ebenso ist unbedeutend, ob das Unternehmen auch mietfreie Standplätze hätte nutzen können, wenn es sich nach seinen tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingen (insbes. Umsatzstärke) für die Anmietung von Standplätzen entschieden hat.

2. Anders als bei der kurzfristigen Nutzung gleichartiger beweglicher Wirtschaftsgüter, bei der das eine Wirtschaftsgut ohne Weiteres durch das andere ersetzt werden kann (z.B. Kran A durch Kran B), spielt bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern auch die Lage des Grundstücks eine besondere Rolle. Insoweit kann die kurzfristige Nutzung eines Grundstücks in A nicht ohne Weiteres durch die Nutzung eines Grundstücks in B ersetzt werden, wenn die Grundstücksnutzung von der Lage des Grundstücks abhängt. Anders ist es hingegen, wenn es dem Unternehmen nicht auf die konkrete Lage, sondern auf andere Rahmenbedingungen (z.B. Publikumsfrequenz, Umsatzstärke) ankommt. So kann es z.B. bei einem Reisegewerbe, das sich ohnehin immer für mehrere Standplätze bewerben muss und dabei nur teilweise einen Zuschlag erhält, dazu kommen, dass der Standplatz A durch den Standplatz B ersetzbar ist. Folge ist, dass sich insoweit auch bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern die wiederholte kurzfristige Anmietung als Surrogat einer langfristigen Anmietungdarstellt.

3. Die hinzuzurechnenden Mieten müssen nach dem Einleitungssatz des § 8 GewStG"bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden" sein. Das sind sie nicht, wenn sie in die zu aktivierenden Herstellungskosten eines vom Unternehmen hergestellten Wirtschaftsguts eingeflossen sind. Maßgeblich ist insoweit der handelsrechtliche Herstellungskostenbegriff nach § 255 Abs. 2 HGB. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Te...

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