Rz. 229

Das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung wird oft rechtsfehlerhaft zunächst nicht erkannt. Vielfach wird das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung erst im Anschluss an die Durchführung einer steuerlichen Betriebsprüfung festgestellt und erkannt, sodass nachträglich und damit rückwirkend eine Betriebsaufspaltung angenommen werden muss, soweit die steuerlichen Veranlagungen des verpachtenden Unternehmens noch keine Bestandskraft erfahren haben, noch berichtigt werden können oder die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

Für den umgekehrten Fall einer rechtsirrigen Annahme einer Betriebsaufspaltung[1] waren die Wirtschaftsgüter des vermeintlichen Besitzunternehmens zu keiner Zeit Betriebsvermögen desselben, sodass erlassene Steuerbescheide im Rahmen der Änderungsvorschriften der AO aufzuheben oder zu ändern sind. Auch muss in diesem Zusammenhang eine zwangsweise Aufdeckung stiller Reserven und deren Versteuerung, die in den Wirtschaftsgütern des vermeintlichen Besitzunternehmens ruhen, unterbleiben.

 

Rz. 230

Obwohl die rückwirkende Annahme einer Betriebsaufspaltung für vergangene Vz gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen kann[2], ist die Finanzbehörde nicht daran gehindert, eine falsche Rechtsanwendung vom verfahrensrechtlich ehestmöglichen Zeitpunkt ab, also i. d. R. bei der nächsten Veranlagung, aufzugeben und nunmehr das richtige Recht – hier: Anwendung des Rechtsinstituts der Betriebsaufspaltung – anzuwenden.[3] Liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor, kann die Betriebsaufspaltung nur mit Wirkung für zukünftige Vz angenommen werden; dies erfordert eine entsprechende ausdrückliche oder konkludente Handlung seitens der Finanzbehörde, wodurch sichtbar wird, dass diese nunmehr eine andere Rechtsauffassung vertritt.[4]

Die Grundsätze der Abschnittsbesteuerung bewirken allerdings nicht, dass das FA stets an eine Beurteilung in einem Vz für künftige Steuerabschnitte gebunden ist, vielmehr ist das FA grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, in jedem Besteuerungsabschnitt einen Besteuerungstatbestand neu zu bewerten und ggf. von seiner Beurteilung in früheren Vz abzuweichen (s. auch Rz. 159).[5] Dies gilt i. d. R. selbst bei jahrzehntelanger, in mehreren steuerlichen Außenprüfungen rechtswidrig nicht beanstandeter Veranlagungspraxis.[6] Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn das FA eine Zusage (Rz. 230a) erteilt hat oder sonst außerhalb einer Zusage durch sein früheres Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.[7] Ein Vertrauenstatbestand, der ein FA auch außerhalb einer Zusage zu einer bestimmten Behandlung eines Steuerfalls bindet, ist dann gegeben, wenn es die Grundsätze von Treu und Glauben gebieten, dass sich ein FA nicht mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der Stpfl. vertraut hat und vertrauen durfte, in Widerspruch setzt und der Stpfl. aufgrund des früheren Verhaltens des FA Dispositionen getroffen hat.[8]

 

Rz. 230a

Die Zusage beinhaltet eine einseitige Selbstverpflichtung der Finanzbehörde gegenüber dem Stpfl. zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen. Sie bietet dem Stpfl. abstrakten Vertrauensschutz und bindet die Finanzbehörde an die getroffene Zusage. Das Gesetz sieht u. a. Zusagen der Finanzbehörden in Form einer verbindlichen Auskunft über die steuerliche Beurteilung von noch nicht verwirklichten Sachverhalten (§ 89 Abs. 2 AO) oder aber in Form der Zusage im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung über die künftige steuerrechtliche Behandlung eines geprüften, im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalts bei ausreichendem Interesse (§§ 204-207 AO).[9]

Die Auskunft ist im Gegensatz zur Zusage eine unverbindliche Erklärung des FA über die Beurteilung eines bereits abgeschlossenen Tatbestands. Sie hat nur die Bedeutung einer Meinungsäußerung des FA, an die weder der Stpfl. noch das FA gebunden sind.[10]

 

Rz. 231

Sofern bei Beachtung der dargelegten Grundsätze eine Betriebsaufspaltung angenommen werden muss, stellt sich bei rückwirkender Korrektur insbesondere die Frage, wann und mit welchem Wertansatz die Wirtschaftsgüter, insbesondere das bzw. die, die wesentliche Betriebsgrundlage bildende(n) Wirtschaftsgut/-güter sowie die Beteiligung am Betriebsunternehmen, in die Eröffnungsbilanz (zum Umfang des Betriebsvermögens vgl. Rz. 169ff.) einzustellen sind (Rz. 231a-c) und wie der steuerliche Gewinn (Rz. 232) zu ermitteln ist.

 

Rz. 231a

Die Frage der Bilanzansätze richtet sich nach den Grundsätzen der rückwirkenden Bilanzberichtigung. Hiernach ist auf den Beginn des ersten noch offenen Jahres eine Anfangsbilanz aufzustellen. In diese Bilanz sind die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, wie sie bei von Anfang an richtiger Bilanzierung (ordnungsgemäße Fortführung einer gedachten Eröffnungsbilanz) auszuweisen gewesen wären[11]; damit sind die zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehörenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert zu erfassen, der sich ergeben hätte, wenn die Betriebsaufspaltung von Anfang an erkannt worden wäre. Eine Nachholu...

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