1 Allgemeines — Sinn und Zweck

1.1 Aufbau der Norm

 

Rz. 1

§ 6d EStG bestimmt in Abs. 1 S. 1 Zeitpunkt und Umfang der durch die zwingend vorgeschriebene Umrechnung eintretenden Gewinnrealisierung. § 6d Abs. 1 S. 2 EStG schafft die Möglichkeit, Erträge, die sich aus der Umrechnung bestimmter Bilanzansätze ergeben, in eine Rücklage einzustellen und bestimmt in S. 3 u. 4, wann die Rücklage wieder aufzulösen ist. § 6d Abs. 2 EStG erweitert den sachlichen Anwendungsbereich auf Erträge, die sich insbesondere aus der Aktivierung schwebender – ebenfalls umrechnungspflichtiger – Geschäfte ergeben können. § 6d Abs. 3 EStG regelt den erforderlichen Buchnachweis.

1.2 Regelungsgrund

 

Rz. 2

§ 6d EStG n. F. ist durch das Euro-Einführungsgesetz[1] v. 9.6.1998[2] in das EStG aufgenommen worden. Die Vorschrift knüpft an die handelsrechtliche Norm des Art. 43 EGHGB an, die es erlaubt, für Erträge aus der Euroumrechnung einen "Sonderposten aus der Währungsumstellung auf den Euro" zu bilden. Das im Wesentlichen ab dem Vz 2001 anzuwendende Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung[3] berührt § 6d EStG nicht. § 6d EStG war erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.1998 endete (§ 52 Abs. 20 EStG). Durch die in § 6d Abs. 1 S. 4 EStG genannte Frist hat die Vorschrift kaum mehr Bedeutung.

 

Rz. 3

Mit dem EuroEG wurden die rechtlichen Voraussetzungen für die reibungslose Einführung des Euro z. B. durch Änderungen gesellschafts- und bilanzrechtlicher Vorschriften zum 1.1.1999 geschaffen. Die Regelung erfolgte, um Liquiditätsabflüsse in den Unternehmen zu vermindern oder ganz zu vermeiden, indem eine Gewinnversteuerung, die allein auf die Einführung des Euro zurückzuführen ist, verhindert bzw. hinausgeschoben wird. Vergleichbar mit der Wertaufholungsrücklage nach § 52 Abs. 16 S. 7 EStG a. F. handelt es sich um eine Regelung, die die steuerlichen Konsequenzen für einen im Rahmen der periodischen Gewinnermittlung einmalig kumulierten Gewinn- bzw. Verlusteffekt faktisch durch eine Stundung abfedern sollte.[4]

Für die Euroumstellung, die von der Finanzverwaltung erst ab 1.1.2002 vorgenommen wird, galt eine Übergangszeit bis zum 31.12.2001, die von dem Grundsatz "keine Behinderung, kein Zwang" geprägt ist. Zu einer Reihe steuerlicher Fragen im Zusammenhang mit der Einführung des Euro nimmt das Euro-Einführungsschreiben vom 15.12.1998 Stellung[5]. Nachdem der Rat der EU mit Beginn der 3. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion nach Art. 109 IV 1 EG-Vertrag unwiderruflich die Euroumrechnungskurse der teilnehmenden Staaten festgesetzt hat, ist zwischen den Teilnehmerstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) das Wechselkursrisiko entfallen. Während die Umstellung der Buchführung von DM auf Euro bis auf geringfügige Rundungsdifferenzen nicht zu Gewinnen oder Verlusten führte, konnten sich gewinnwirksame Auswirkungen bei den Bilanzposten ergeben, die in Währungen eines anderen Teilnehmerstaates ausgewiesen sind. Zwar sind Kursverluste nach dem Imparitätsgrundsatz sofort zu berücksichtigen, während Wechselkursgewinne erst bei Vereinnahmung bzw. Erfüllung anzusetzen sind. Gegen das Realisationsprinzip (Gewinnauswirkung erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung) wird gleichwohl nicht verstoßen, da ein Kursgewinn mit Wegfall des Wechselkursrisikos definitiv entstanden ist.

 

Rz. 4

 
Praxis-Beispiel

Ermittlung des stpfl. Gewinns

Ein Unternehmer aktivierte 1997 eine auf FF lautende Forderung (Fälligkeit: 2002) mit 10.000 FF, Wechselkurs 100 FF = 28,855 DM, Bilanzansatz: 2.885 DM. Nach dem am 31.12.1998 festgelegten Wechselkurs (1 Euro = 6,55957 FF = 1,95583 DM) ergibt sich bei einer Umrechnung des DM-Buchwertes in Euro am 1.1.1999 ein Forderungsbetrag von 10.000 FF : 6,55957 × 1,95583 = 2.981,64 DM. Es ergibt sich ein stpfl. Gewinn in Höhe von 96,64 DM.

 

Rz. 5

Gäbe es nicht die Möglichkeit, diesen Gewinn in einen Sonderposten einzustellen, könnte das Versprechen, dass die Einführung des Euro nicht zu wirtschaftlichen Nachteilen führen soll, nicht gehalten werden. Es käme zu einem Mittelabfluss, dem kein unmittelbarer Mittelzufluss gegenüberstände. Die Liquidität würde sich erst bei Vereinnahmung in 2002 erhöhen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass bei Beibehaltung des Realisationsprinzips das gleiche Ergebnis erzielt worden wäre. Die verbindliche Festlegung der Wechselkurse stellt nämlich einen Realisationstatbestand dar, der bilanziell berücksichtigt werden muss.[6] Der Gesetzgeber hat damit die (scheinbare) Diskrepanz zwischen dem Realisationsprinzip[7] einerseits und dem Anschaffungskostenprinzip[8] andererseits zugunsten der erfolgswirksamen Behandlung gelöst. Zu Recht, denn die entsprechenden Bilanzpositionen sind als "neu angeschaffte Euro-Posten" zu werten.[9]

 

Rz. 6

Die Bundesrepublik Deutschland hat deshalb von der durch die EU-Kommission eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, positive Kursdifferenzen erst zu einem späteren Zeitpunkt auszuweisen. Der Unternehmer erhielt so ein Wahlrecht, Kursgewinne, die durch den Wegfall des Wechselkursrisikos end...

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