Rz. 6

Das wirtschaftliche Eigentum ist in dem Zeitpunkt übertragen, in dem die Verfügungsmacht (Herrschaftsgewalt) auf den Erwerber übergeht (H 6b.1 EStH 2016). Entsprechend dem zivilrechtlichen Abstraktionsprinzip ist damit nicht das schuldrechtliche (Verpflichtungs-)Geschäft, sondern das dingliche Verfügungsgeschäft maßgebend. Für die Übertragung gelten zunächst die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (§§ 929ff. BGB für bewegliche Sachen, §§ 873, 925 BGB für Grundstücke). Mit der Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums wird regelmäßig auch das wirtschaftliche Eigentum übertragen. Der Veräußerungszeitpunkt kann jedoch abweichen. Veräußerungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerber über das Wirtschaftsgut wie ein Eigentümer verfügen kann, bei Grundstücken der Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen, Lasten und Gefahr.[1] Dieser Übergang kann bereits vor Vollendung des bürgerlich-rechtlichen Rechtserwerbs liegen, was sich auf den Reinvestitionszeitraum auswirken kann. Die Veräußerung muss zum Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen führen mit der Folge, dass das Veräußerungsobjekt bilanzrechtlich nicht mehr dem Veräußerer, sondern dem Erwerber zuzurechnen ist.[2] Bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts (aufschiebend bedingte Eigentumsübertragung) wird das wirtschaftliche Eigentum bereits mit Besitzübergang übertragen, wenn der Erwerber vereinbarungsgemäß wie ein Eigentümer über die Sache verfügen kann. Übertragungen von Treugut auf einen Treuhänder oder von Sicherungseigentum auf einen Darlehensgeber sind keine Veräußerungsvorgänge, da dem Erwerber keine Verfügungsmacht i. S. einer Herrschaftsgewalt gewährt wird.

Aus welchen Gründen die Eigentumsübertragung erfolgt, ist ohne Bedeutung. Auf eine Freiwilligkeit der Veräußerung kommt es nicht an. Auch Übertragungen im Weg der Zwangsvollstreckung oder um einer behördlichen Beschlagnahme zuvorzukommen, stehen der Anwendung des § 6b EStG nicht entgegen.

 

Rz. 7

Werden Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt oder scheiden sie infolge höherer Gewalt aus (z. B. Brand, Diebstahl), liegen keine Veräußerungen vor (R 6b.1 EStR 2012). Anders als bei einer Entnahme kann beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt die Aufdeckung stiller Reserven, die z. B. dadurch bewirkt wird, dass die auf die Anlagegüter entfallenden Versicherungsleistungen die Buchwerte übersteigen, unter den Voraussetzungen des R 6.6 Abs. 1 EStR 2012 durch Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut vermieden werden (§ 5 EStG Rz. 286f.; s. Rz. 163). Auch eine Kapitalrückzahlung aufgrund einer handelsrechtlich wirksamen Kapitalherabsetzung ist keine Veräußerung; ein dabei entstandener Gewinn, der dadurch entstehen kann, dass die Kapitalrückzahlung den Buchwert der Kapitalanteile übersteigt, kann nicht in eine Rücklage nach § 6b EStG eingestellt werden.[3]

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