Rz. 35

Die Vorschrift des § 50j Abs. 5 EStG ist im Hinblick auf die angeordnete weitere Anwendbarkeit von § 42 AO kritisch zu sehen.[1]§ 42 Abs. 1 S. 1 AO regelt, dass durch Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Steuergesetze nicht umgangen werden können. Nach § 42 Abs. 2 S. 1 AO liegt ein Missbrauch dann vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Stpfl. oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Wie auch zu § 36a Abs. 7 EStG kommentiert (§ 36a EStG Rz. 84) kann insbesondere die in § 50j Abs. 5 EStG angeordnete Weitergeltung des § 42 AO nicht überzeugen. Wird durch den Gesetzgeber eine steuerrechtliche Norm eingefügt, an deren Erfüllung der Stpfl. komplexe Voraussetzungen geknüpft sind, so ist es widersprüchlich trotzdem Generalklauseln für weiter anwendbar zu erklären, nach denen die Rechtsfolge der Norm nicht eintreten kann (§ 36a EStG Rz. 84).[2] Dies wird auch durch den Grundgedanken des § 42 Abs. 1 S. 2 AO gestützt, der anordnet, dass sobald der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt ist, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (d. h. hier des § 50j EStG) bestimmen. § 50j ist aber eine Norm i. S. d. § 42 Abs. 1 S. 2 AO, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm als auch der Gesetzesbegründung.[3] Danach bleibt – sobald die Voraussetzungen des § 50j EStG durch den Stpfl. erfüllt sind – für die Anwendung der Generalklausel des § 42 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 AO kein Raum mehr.[4] Denn es ist fraglich, welche Anforderungen der Stpfl. noch erfüllen soll bzw. wann genau ein Missbrauch vorliegt, wenn die Voraussetzungen des § 50j Abs. 1 bis 4 EStG bereits gegeben sind.[5] Nach Ansicht des BFH wirken positiv geregelte Ausschlusstatbestände insoweit abschließend und lassen keinen Raum für die Anwendung der allg. Missbrauchsverhinderungsnorm des § 42 AO.[6] Der Rückgriff auf § 42 AO wird insoweit "versperrt". Ansonsten besteht die Gefahr, dass eine einheitliche Rechtsanwendung zu § 50j EStG verhindert wird und keine Gestaltungssicherheit besteht.[7]

[1] So auch Reiter, in Lademann, Beschränkte Steuerpflicht in Deutschland, 2018, § 50j EStG Rz. 54; Ettlich, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50j EStG Rz. 91; wohl a. A Levedag, in Schmidt, EStG, 2021, § 50j EStG Rz. 6.
[2] So auch Ettlich, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50j EStG Rz. 91.
[3] BT-Drs. 18/10506, 78.
[4] Zweifelnd auch Reiter, in Lademann , Beschränkte Steuerpflicht in Deutschland, 2018, § 50j EStG, Rz. 54; Ettlich, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50j EStG Rz. 91.
[5] Levedag, in Schmidt, EStG, 2021, § 50j EStG Rz. 6.
[7] Ettlich, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50j EStG Rz. 91.

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