Rz. 419

Es gilt die folgende handelsrechtliche Regelung: Aus dem Grundsatz der Einzelbewertung[1] folgt, dass nur die Verhältnisse des einzelnen Risikos in die Bewertung einbezogen werden dürfen; andere Rechtsgeschäfte, die u. U. eine gegenläufige Entlastung bringen, dürfen nicht einbezogen werden. Anderenfalls würde gegen den Imparitätsgrundsatz und das Verbot des Ausweises nicht realisierter Gewinne verstoßen. So darf z. B. bei der Rekultivierungsrückstellung nicht berücksichtigt werden, dass bei der Erfüllung dieser Verpflichtung, z. B. durch die Nutzung einer Kiesgrube als Müllgrube, auch Einnahmen erzielt werden können. Die Einnahmen resultieren aus selbstständigen, neuen Geschäften und reduzieren daher den Rückstellungsbedarf nicht.[2]

 

Rz. 420

Andererseits kann eine Saldierung verschiedener Geschäfte dann angebracht sein, wenn das vorteilhafte und das verlustbringende Rechtsgeschäft in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang miteinander stehen, sodass der Verlust des einen Rechtsgeschäfts die Ursache für den Gewinn aus dem anderen Rechtsgeschäft ist. Das verlustbringende und das gewinnbringende Geschäft bilden dann eine "Bewertungseinheit". Das ist der Fall, wenn sich die beiden Geschäfte spiegelbildlich entsprechen (Art-/Sachgleichheit der Ansprüche), wenn der Verlust aus dem einen Geschäft zwangsläufig den Gewinn aus dem anderen Geschäft nach sich zieht, und wenn der Anspruch, mit dem der Verlust saldiert werden soll, vollwertig ist, d. h., weder ein Bestreiten zu erwarten noch die Bonität des Schuldners zweifelhaft ist.[3] Hierin liegt kein Verstoß gegen das Prinzip der Einzelbewertung und das Saldierungsverbot (Rz. 71); vielmehr folgt die Zulässigkeit der Saldierung als rückstellungsbegrenzender Faktor in diesen Fällen aus § 253 Abs. 1 HGB, wonach Rückstellungen nur in der Höhe anzusetzen sind, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist.

 

Rz. 421

Das kann bei folgenden Gestaltungen der Fall sein:

  • gleichfristige, aber gegenläufige Devisentermingeschäfte (Geschäft und Deckungsgeschäft); die Ursachen des Verlusts aus dem einen Geschäft führen dann zwangsläufig zu Gewinnen aus dem anderen Geschäft[4];
  • bei Garantierückstellungen die Möglichkeit eines Rückgriffs gegen Subunternehmer[5];
  • dagegen bilden Ansprüche auf InvZul und Ansprüche auf Leasingraten bei Leasingunternehmen keine Bewertungseinheit, auch wenn bei der Kalkulierung der Leasingrate die InvZul eingerechnet worden ist, also ohne die InvZul zu niedrige Leasingraten vereinnahmt werden.[6]

Eine bloße Gleichartigkeit der Geschäfte, die nicht i. d. S. miteinander verbunden sind, genügt für eine Saldierung nicht.[7] Ebenfalls keine Bewertungseinheit bilden Pensionsverpflichtung und Anspruch aus einer Rückdeckungsversicherung, da es wegen der besonderen Bewertungsregelung des § 6a EStG für Pensionsverbindlichkeiten an der Bewertungsidentität, und damit an der Wertidentität, fehlt.[8]

 

Rz. 422

Ungeklärt ist die Frage, ob die Rückstellung mit etwaigen Ersatz- und Haftpflichtansprüchen saldiert werden darf. M. E. ist diese Frage aus dem Grundsatz der vorsichtigen Bewertung, aber auch aus der Regelung des § 253 Abs. 1 HGB zu lösen, wonach nur der notwendige Betrag zurückgestellt werden kann. Eine Saldierung mit Rückgriffs- und Versicherungsansprüchen ist dann vorzunehmen, wenn auch bei vorsichtiger Bewertung kein Risiko droht, dass der Kaufmann in Anspruch genommen wird. Es muss sich um Rückgriffsansprüche handeln, die bei vorsichtiger Bewertung sowohl nach Grund als auch nach Höhe sicher sind; Zweifel hinsichtlich des Bestehens der Rückgriffsansprüche (z. B. wegen Verschuldens, Verjährung) oder unterschiedliche Fristigkeiten der Ansprüche schließen eine Saldierung aus. Solche sicheren Rückgriffsansprüche werden nur relativ selten, z. B. bei bestehendem Versicherungsschutz, vorliegen[9], aber auch nur dann, wenn Fragen des Mitverschuldens, der Gefahrerhöhung usw. des Versicherungsnehmers offensichtlich keine Rolle spielen. Bei Rückgriffsansprüchen gegen Dritte, die keine Versicherung sind, muss der vorsichtige Kaufmann generell damit rechnen, dass der Verpflichtete versuchen wird, sich seiner Verpflichtung zu entziehen. Eine Saldierung kommt daher insoweit grundsätzlich erst infrage, wenn gegen den Verpflichteten Ansprüche erhoben worden sind und er diese anerkannt hat. Vorher würde eine Saldierung gegen den Grundsatz der vorsichtigen Bewertung verstoßen.

 

Rz. 423

Es gilt die folgende steuerliche Regelung (ab Vz 1999): Die Frage der Einbeziehung von Gegenansprüchen und Vorteilen bei der Bewertung von Rückstellungen ist durch Gesetz v. 24.3.1999[10] geregelt worden. Nach dem neu eingefügten § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG sind künftige Vorteile, die mit der Erfüllung der Verbindlichkeit, für die die Rückstellung gebildet wird, voraussichtlich verbunden sein werden, bei der Bewertung der Rückstellung wertmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt nur dann nicht, wenn diese künftigen Vorteile ohnehin als Forderung zu aktivieren sind; die Aktivierung...

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