Rz. 92

§ 44a Abs. 5 EStG sieht für Kapitalerträge i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 5 bis 7 und 8 bis 12 sowie S. 2 EStG die Abstandnahme vom Steuerabzug als Sonderregelung für die Fälle vor, in denen die Kapitalerträge beim Gläubiger Betriebseinnahmen sind, wegen der besonderen Art der Geschäfte die insgesamt einbehaltene KapESt aber auf Dauer die bei der Veranlagung für ihn festzusetzende ESt bzw. KSt übersteigt.

 

Rz. 92a

Legt der Gläubiger der Kapitalerträge dem zum Steuerabzug Verpflichteten die NV-Bescheinigung bzw. den Freistellungsauftrag erst vor, nachdem dieser die KapESt bereits einbehalten, angemeldet und abgeführt hat, kann der zum Steuerabzug Verpflichtete gem. § 44b Abs. 5 S. 1 EStG die KapESt-Anmeldung ändern und bei dem für ihn zuständigen Betriebsstätten-FA die Erstattung der insoweit zu viel abgeführten KapESt beantragen (§ 44b EStG Rz. 34ff., 63ff.).

 

Rz. 92b

§ 44b Abs. 5 S. 1 EStG, der diese Erstattungsmöglichkeit vorsieht, ist eine Kann-Vorschrift, d. h., der zum Steuerabzug Verpflichtete ist zwar berechtigt, aber (wegen des für ihn damit verbundenen Verwaltungsaufwands, zu dem neben der Neuberechnung der KapESt und Neuerstellung der KapESt-Anmeldung auch die Rückforderung einer von ihm bereits ausgestellten KapESt-Bescheinigung gehört) nicht verpflichtet, aufgrund der verspäteten Vorlage der NV-Bescheinigung bzw. des Freistellungsauftrags die von ihm bereits abgegebene KapESt-Anmeldung zu ändern und den bei Auszahlung bzw. Gutschrift des Kapitalertrags vorgenommenen Steuerabzug wieder rückgängig zu machen.

 

Rz. 92c

Statt die ursprüngliche KapESt-Anmeldung zu berichtigen, kann der zum Steuerabzug Verpflichtete bei Kapitalerträgen, die dem Gläubiger nach dem 31.12.1993 zufließen, den aufgrund der verspäteten Vorlage des Freistellungsauftrags oder der NV-Bescheinigung bzw. der Bescheinigung nach § 44a Abs. 4 oder 5 bzw. Abs. 7 oder 8 EStG zu erstattenden Betrag bei der nächsten von ihm abzugebenden KapESt-Anmeldung von der von ihm abzuführenden KapESt kürzen (zu diesem vereinfachten Erstattungsverfahren § 44b EStG Rz. 35ff.).

 

Rz. 92d

Mit Wirkung ab 1.1.2013 ist die Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 5 EStG zusätzlich um Kapitalerträge gem. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 EStG erweitert worden. Das in diesen Fällen bislang vorgesehene Einzelerstattungsverfahren nach § 44b Abs. 1 EStG ist abgeschafft worden (§ 52a Abs. 16c S. 3 EStG).

 

Rz. 92e

§ 44a Abs. 5 EStG wurde durch G. v. 9.11.1992[1] eingefügt, damit von der Vorschrift erfasste Unternehmen, die große Wertpapierbestände besitzen, durch den KapESt-Abzug keine Zins- und Liquiditätsnachteile erleiden. Weil negative Vorauszahlungen nicht festgesetzt werden können, wäre ohne eine Sonderregelung für diese Unternehmen die Erstattung des überzahlten Steuerabzugs erst nach erfolgter Veranlagung möglich. Die Gesetzesbegründung[2] nennt als typisches Beispiel für derartige Unternehmen die Lebensversicherer, deren Wertpapiererträge zum größten Teil an die Versicherten weitergegeben werden und deshalb bei dem Versicherungsunternehmen insoweit Gewinn mindernde Betriebsausgaben sind. Eine ähnliche Überbesteuerungsproblematik besteht bei Zinserträgen der Verwertungsgesellschaften nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz (früher UrheberrechtswahrnehmungsG), z. B. der GEMA, der VG Wort, der VG Bild – Kunst und der VG der Film- und Fernsehproduzenten m.b.H. Auch Energieversorgungsunternehmen können dazu gehören, wenn sie ihre Wertpapiererträge größtenteils über eine Verrechnung mit dem Strompreis an ihre Kunden weitergeben.

 

Rz. 93

Mit Wirkung für Kapitalerträge, die nach dem 21.10.1995 zufließen, wurde § 44a Abs. 5 EStG durch das G. v. 11.10.1995[3] dahin gehend ergänzt, dass nicht nur unbeschränkt stpfl., sondern auch beschränkt stpfl. Dauerüberzahler i. S. d. § 44a Abs. 5 EStG in den Genuss der Abstandnahme vom Steuerabzug gelangen. Die Abstandnahme vom Steuerabzug bei beschränkt stpfl. (unter den gleichen Voraussetzungen wie bei unbeschränkt stpfl.) Dauerüberzahlern i. S. d. § 44a Abs. 5 EStG soll ein Hindernis für die Gründung und den Betrieb von Zweigniederlassungen ausl. Unternehmen (z. B. Versicherungsunternehmen, vgl. §§ 105ff. VAG) in Deutschland beseitigen.

 

Rz. 94

Die Finanzverwaltung legt die Tatbestandsmerkmale "aufgrund der Art seiner Geschäfte" und "auf Dauer" eng aus. Sie sieht die Voraussetzungen für die Erteilung einer NV 2-Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG z. B. dann als nicht gegeben an, wenn die vorübergehende Überbesteuerung durch Erhebung des Steuerabzugs auf individuellen rechtlichen Gestaltungen (z. B. bei Organgesellschaften) beruht oder auf die jeweiligen Marktverhältnisse (z. B. Verluste wegen schlechter Marktlage oder Preisverfall) zurückzuführen ist. Wird durch § 14 KStG im Fall einer Organschaft das Einkommen auf der Ebene des Organträgers besteuert, so kann es nicht zu einer Überbesteuerungssituation in der Person der Organgesellschaft kommen[4] (zur Ausnahmeregelung für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen Rz. 95).

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