Rz. 114

Werden im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen bei inländischen Kapitalgesellschaften verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an beschränkt stpfl. ausl. Anteilseigner aufgedeckt, kann häufig die inländische Kapitalgesellschaft für die nicht abgeführte KapESt (ab 1995 auch für den nicht abgeführten SolZ zur KapESt) nicht mehr als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden, weil inzwischen die Festsetzungsverjährung eingetreten ist (Rz. 113).

Bei einem beschränkt stpfl. ausl. Anteilseigner gilt die ESt bzw. KSt für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen, nach § 50 Abs. 2 S. 1 EStG durch den Steuerabzug als abgegolten (vgl. § 50 EStG Rz. 92ff.). Weil aus diesem Grunde der ausl. Anteilseigner im Inland keine Steuererklärung abzugeben braucht, tritt mit Ablauf des vierten auf die vGA folgenden Jahrs die Festsetzungsverjährung ein (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO).

 

Rz. 115

Ist die Festsetzungsfrist abgelaufen, kann ein Haftungsbescheid an den Steuerabzugsverpflichteten nicht mehr ergehen (§ 50a EStG Rz. 185 und § 191 Abs. 5 Nr. 1 AO).

Die beim Zufluss der vGA nicht einbehaltene und demzufolge auch nicht angemeldete KapESt kann jedoch nach der BFH-Rspr. anstelle durch einen Haftungsbescheid durch einen Nachforderungsbescheid i. S. d. § 155 i. V. m. § 167 Abs. 1 S. 1 AO gegen den Steuerabzugsverpflichteten in dessen Funktion als Entrichtungssteuerschuldner geltend gemacht werden.[1]

Als Steuerabzugsverpflichteter ist der Schuldner der Kapitalerträge (hier die Kapitalgesellschaft, bei der die vGA aufgedeckt wurde) Entrichtungssteuerschuldner für die KapESt, die er einzubehalten und nach § 45a Abs. 1 EStG i. V. m. § 150 Abs. 1 AO anzumelden sowie nach § 44 Abs. 1 S. 5 EStG an das für ihn zuständige FA zu entrichten hat.

Wegen seiner Verpflichtung zur Abgabe der KapESt-Anmeldung (diese steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung – § 168 S. 1 AO – gleich) beginnt für den Entrichtungssteuerschuldner die Festsetzungsfrist nicht bereits mit Ablauf des Kj., in dem die KapESt entstanden ist, sondern nach § 170 Abs. 2 S. 1 AO erst mit Ablauf des Kj., in dem die Steueranmeldung eingereicht wird – spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf dasjenige Kj. folgenden Jahrs, in dem die KapESt entstanden ist.[2]

 

Rz. 116

Weil der Nachforderungsbescheid an den Steuerabzugsverpflichteten nicht nur in dessen Funktion als Entrichtungssteuerschuldner i. S. d. § 44 Abs. 1 EStG, sondern wegen Nichteinbehaltens und Nichtanmeldens der KapESt auch in seiner Funktion als Haftungsschuldner i. S. d. § 44 Abs. 5 EStG ergeht, müssen für den Nachforderungsbescheid allerdings auch die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Haftungsanspruchs gem. § 44 Abs. 5 EStG erfüllt sein.

Dazu gehört auch, dass die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 44 Abs. 5 S. 1 2. Halbs. EStG dadurch abgewendet werden kann, dass der Steuerabzugsverpflichtete nachweist, dass er die ihm im Zusammenhang mit dem Steuerabzug auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat.[3]

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