Rz. 100

Ist der zum Steuerabzug Verpflichtete (d. h. der Schuldner der Kapitalerträge, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle bzw. die die Kapitalerträge auszahlende Stelle) seiner Einbehaltungspflicht nicht nachgekommen (hat er also von den Kapitalerträgen zu wenig oder überhaupt keine KapESt einbehalten), hat das für die Besteuerung des Steuerabzugsverpflichteten zuständige FA nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) zu entscheiden, ob die KapESt bei dem zum Steuerabzug Verpflichteten im Wege der Haftung nachzuerheben ist oder ob der Gläubiger der Kapitalerträge als der eigentliche Schuldner der KapESt in Anspruch genommen werden soll.

 

Rz. 101

Wird der Gläubiger der Kapitalerträge ohnehin zur ESt bzw. zur KSt veranlagt, hat dieses endgültige Verfahren der Veranlagung Vorrang vor dem nur vorläufigen Verfahren des Steuerabzugs vom Kapitalertrag.

Im Veranlagungsverfahren wird der Steuerfall endgültig abgewickelt. Ein vorangegangenes Steuerabzugsverfahren hätte nur vorläufigen Charakter und würde für das nachfolgende Veranlagungsverfahren weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht zu einer Bindungswirkung führen.[1]

Zur Inanspruchnahme des Gläubigers der Kapitalerträge in diesen Fällen vgl. Rz. 120 und 72.

 

Rz. 102

Wird dagegen der Gläubiger der Kapitalerträge im Inland nicht zur ESt oder KSt veranlagt, oder werden die steuerabzugspflichtigen Kapitalerträge beim Gläubiger dieser Erträge nicht in die Veranlagung einbezogen, sodass die ESt bzw. KSt für die steuerabzugspflichtigen Einkünfte durch den Steuerabzug vom Kapitalertrag als abgegolten gilt (vgl. § 43 EStG Rz. 10), dann kann der Schuldner der Kapitalerträge, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle bzw. die die Kapitalerträge auszahlende Stelle für die nicht einbehaltene KapESt haftbar gemacht werden.[2] Zum Erfordernis des Steuerabzugs zum vollen Steuersatz trotz Erstattungsanspruch des Gläubigers der Kapitalerträge vgl. § 43a EStG Rz. 31ff.

 

Rz. 103

Zur Haftbarmachung des zum Steuerabzug Verpflichteten bzw. der Inanspruchnahme des Anteilseigners als des Gläubigers der Kapitalerträge bei vGA vgl. § 43 EStG Rz. 31ff.

 

Rz. 104

Wird der Steuerabzugsverpflichtete für nicht einbehaltene KapESt im Wege der Haftung in Anspruch genommen, hat er insoweit wegen Erfüllung der fremden Steuerschuld (Rz. 9) grundsätzlich einen Rückgriffsanspruch gegen den Schuldner der KapESt, d h. den Gläubiger der Kapitalerträge.[3]

 

Rz. 105

Macht er von seinem Rückgriffsrecht keinen Gebrauch, wird der zum Steuerabzug Verpflichtete zu den für die Übernahme der KapESt geltenden höheren Steuersätzen in Anspruch genommen.

Wegen Einzelheiten hierzu vgl. § 43a EStG Rz. 4ff.

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