Rz. 370

Der Tatbestand des Abs. 1 S. 3 setzt immer ein Wirtschaftsgut voraus, hinsichtlich dessen das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das Wirtschaftsgut kann zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen gehören; es kann materieller oder immaterieller Art sein, einschließlich eines Firmenwerts.[1] Es kann sich auch um eine Mehrzahl von Wirtschaftsgütern handeln, bis hin zu einem Betrieb oder Teilbetrieb. Unter Abs. 1 fällt daher auch die Verlagerung eines Betriebs oder Teilbetriebs in einen ausländischen Staat.[2]

 

Rz. 370a

Im Vergleich zum UmwStG, z. B. § 3 Abs. 1 UmwStG, fällt auf, dass bei den Wirtschaftsgütern die selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter nicht ausdrücklich erwähnt werden. Dies war auch nicht nötig, da die Regelung allgemein für Wirtschaftsgüter gilt, damit also auch selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter erfasst.

 

Rz. 370b

Das immaterielle Wirtschaftsgut kann somit selbst geschaffen oder entgeltlich erworben sein. Erfasst werden auch Kundenbeziehungen und Geschäftschancen, soweit sie sich bereits zu einem Wirtschaftsgut konkretisiert haben. Das Bilanzierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG hindert die Anwendung des Abs. 1 S. 3 nicht. Diese Vorschrift verhindert nur die (laufende) Bilanzierung, aber nicht die Gewinnrealisierung bei Eingreifen eines Gewinnrealisierungstatbestands, der auf dem Realisationsprinzip beruht, oder eines Ersatzrealisierungstatbestands, wie Entnahme oder Entstrickung.

 

Rz. 370c

Andererseits ist die Entstrickungsregelung nicht anwendbar, soweit nicht die Veräußerung oder Nutzung eines "Wirtschaftsguts" betroffen ist, also etwa nicht die bloße Übertragung von "Gewinnchancen", die sich nicht in einem Wirtschaftsgut niedergeschlagen haben. Diese Fälle werden von dem besonderen Tatbestand der "Funktionsverlagerung" nach § 1 Abs. 2 S. 9 AStG erfasst, der aber eine Übertragung auf eine andere Person voraussetzt.[3]

 

Rz. 371

Da nur "Wirtschaftsgüter" unter die Vorschrift fallen, stellt sich die Frage, ob auch ein Firmenwert hiervon erfasst wird, also, ob der "Firmenwert" ein Wirtschaftsgut ist. Handelsrechtlich kann man den Firmenwert als "Bilanzierungshilfe" auffassen. Allerdings spricht für die Eigenschaft des Firmenwerts als Vermögensgegenstand (des Anlagevermögens) auch im Handelsrecht, dass er in § 266 Abs. 2 HGB unter "A Anlagevermögen, I Immaterielle Vermögensgegenstände" aufgeführt ist, und nicht etwa als Bilanzierungshilfe vor dem Anlagevermögen.[4] Unabhängig hiervon wird man steuerrechtlich aber den Charakter des Firmenwerts als Wirtschaftsgut bejahen müssen, da er im Grundsatz auch abschreibbar ist[5] und einen Teilwert hat. Somit wird der Firmenwert als Wirtschaftsgut von Abs. 1 S. 3 erfasst; offen ist dann jedoch die Frage der Bewertung, da der Firmenwert keinen "gemeinen Wert" hat.[6] Aufgrund des § 246 Abs. 1 S. 4 HGB i. d. F. des BilMoG v. 25.5.2009[7], wonach der Geschäfts- oder Firmenwert als Vermögensgegenstand gilt, steht diese Eigenschaft nunmehr außer Frage. Damit ist der Geschäfts- oder Firmenwert aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes auch als Wirtschaftsgut anzuerkennen.

 

Rz. 372

Da die Vorschrift nur auf "Wirtschaftsgüter" anzuwenden ist, stellt sich die Frage, ob Verbindlichkeiten unter diese Vorschrift fallen. Diese Frage ist für die Rechtsfolgen (Ansatz zum gemeinen Wert[8]) wichtig, und zwar insbesondere für die Behandlung von Pensionsrückstellungen. Für Pensionsrückstellungen gilt die Bewertung nach § 6a EStG (also unter dem gemeinen Wert); bei Geltung des Abs. 1 S. 3 müssten die Pensionsrückstellungen bei Übertragung in das Ausland mit dem gemeinen Wert bewertet werden, was zu einem in der Bundesrepublik anzusetzenden steuerlichen Verlust führen würde. Auffällig ist, dass im UmwStG ausdrücklich bestimmt ist, dass Pensionsrückstellungen mit dem Wert nach § 6a EStG zu bewerten sind[9], für die Entstrickung aber eine entsprechende Vorschrift fehlt.

 

Rz. 372a

Dies wirft die Frage auf, ob Verbindlichkeiten (Rückstellungen) überhaupt "Wirtschaftsgüter" sind; wäre diese Frage zu verneinen, würde der Ansatz mit dem gemeinen Wert nach Abs. 1 S. 3 schon mangels der Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht gelten, sodass die sonstigen steuerrechtlichen Vorschriften[10] anzuwenden wären. Sieht man andererseits die Verbindlichkeiten (Rückstellungen) als "negative Wirtschaftsgüter" an, würde Abs. 1 S. 3 mit der Bewertung mit dem gemeinen Wert der Bewertung nach § 6a EStG vorgehen. Ähnliches würde für Drohverlustrückstellungen gelten; auch hier würde der Ansatz mit dem gemeinen Wert das Passivierungsverbot nach § 5 Abs. 4a EStG verdrängen.

 

Rz. 372b

M. E. gibt das Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür, dass unter "Wirtschaftsgüter" i. S. d. Abs. 1 S. 3 auch Verbindlichkeiten einschl. Rückstellungen zu fassen wären. Drohverlustrückstellungen können auf keinen Fall "Wirtschaftsgüter" sein, weil sie keinen Schuldcharakter haben. Auch § 3 Abs. 1 S. 2, § 11 Abs. 1 S. 2, § 20 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 UmwStG enthalten die Regelung über Pensionsrückstellun...

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