Rz. 868

Zusätzlich hat die Finanzbehörde Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG begründen, der Staatsanwaltschaft oder der für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Verwaltungsbehörde mitzuteilen.[1]

Die Mitteilungspflicht dient der Verfolgung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, nicht der Durchführung des Abzugsverbots. Das ergibt sich daraus, dass das Abzugsverbot nicht von einer vorherigen Verurteilung des Täters abhängig ist und die Finanzbehörde über das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Nr. 10 in eigener Zuständigkeit entscheidet.[2]

Der Tatbestand des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG erfasst "Zuwendungen"; unter die Mitteilungspflicht fallen daher nur Kenntnisse, die bei der Besteuerung des Zuwendenden erlangt sind, nicht bei dem Zuwendungsempfänger.[3]

Die Informationspflicht schränkt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Der Gesetzgeber durfte zur Wahrung des öffentlichen Interesses an der Korruptionsbekämpfung eine Offenbarungspflicht schaffen, da diese sowohl spezial- als auch generalpräventive Wirkungen entfaltet.[4]

 

Rz. 869

Das Gesetz macht den Informationsaustausch nur davon abhängig, dass der Verdacht einer entsprechenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt, nicht davon, dass die Aufwendungen von dem Stpfl. tatsächlich als Betriebsausgaben abgezogen wurden. Die Meldung hat also auch dann zu erfolgen, wenn der Stpfl. die Zuwendung von vornherein als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe behandelt hat.[5] Andererseits besteht keine Mitteilungspflicht, wenn der Abzug der Aufwendungen nicht unter Nr. 10 fällt, z. B. bei privat veranlassten Aufwendungen.[6]

Der Informationsaustausch wird auch nicht dadurch gehindert, dass Verfolgungshindernisse einschl. Verjährung oder Verwertungsverboten vorliegen. Dies zu prüfen ist Sache der Staatsanwaltschaft, nicht der Finanzbehörde.[7]

 

Rz. 870

Mitgeteilt werden dürfen nur die Tatsachen, aus denen sich die Erfüllung der in Rz. 862 aufgeführten Straf- und Bußgeldtatbestände ergibt, und zwar auch dann, wenn sich aus diesen Tatsachen gleichzeitig eine andere strafbare Handlung ergibt. Andererseits dürfen Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verhalten nicht mitgeteilt werden, die mit den genannten Straftatbeständen nicht in Zusammenhang stehen.

Der Tatbestand enthält keine Einschränkung auf schwere Straftaten, wie z. B. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO; die Mitteilungspflicht ist daher für alle Taten zu erfüllen.

 

Rz. 871

Voraussetzung für die Mitteilungspflicht ist, dass die der Finanzbehörde bekannten Tatsachen den Verdacht einer Straftat oder Steuerordnungswidrigkeit hinsichtlich der Zuwendung von Vorteilen begründet.[8] Ein vager Verdacht genügt nicht, um die Mitteilungspflicht auszulösen, da dann das Steuergeheimnis grundlos in zu weitem Umfang durchbrochen würde. Da die Mitteilungspflicht nur dazu dient, der Strafverfolgungsbehörde die Prüfung zu ermöglichen, ob ein Strafverfahren oder Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden soll, ist andererseits kein qualifizierter Verdacht erforderlich. Es genügt ein Anfangsverdacht aufgrund von Tatsachen, die zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Tat darstellen (§ 152 Abs. 2 StPO). Ein "genügender Tatverdacht" i. S. d. § 170 Abs. 1 StPO (Anklageerhebung) oder ein "hinreichender Tatverdacht" i. S. d. § 203 StPO (Eröffnung des Hauptverfahrens) sind nicht erforderlich, können auch noch nicht vorliegen, da sich ein solcher qualifizierter Verdacht erst aus den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörde ergibt, die durch die Mitteilung gerade erst ermöglicht werden sollen.[9]

Keinesfalls genügen allgemeine kriminalistische Erfahrungen oder die Zugehörigkeit des Stpfl. zu einer bestimmten "verdächtigen" Branche.[10]

 

Rz. 871a

Die Mitteilung hat "spontan" zu erfolgen, also ohne vorheriges Ersuchen; die Finanzbehörde muss von sich aus tätig werden. Ihr steht auch kein Ermessen zu; wenn sie einen Verdacht einer solchen Straftat fasst, muss sie die Mitteilung an die zuständige Behörde machen.[11]

 

Rz. 872

Durch diese Regelung wird das Steuergeheimnis des § 30 AO über die dort genannten Tatbestände eingeschränkt (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO). Die Übermittlung der genannten Tatsachen an die Staatsanwaltschaft oder die Verwaltungsbehörde ist nicht "unbefugt" und daher kein Bruch des Steuergeheimnisses. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG hat daher Vorrang vor § 30 AO.[12]

Da der Stpfl. durch entsprechende Angaben im Besteuerungsverfahren riskiert, sich selbst zu beschuldigen, und insoweit gegen eine Verfolgung nicht durch das Steuergeheimnis geschützt ist, dürfen Zwangsmittel gegen den Stpfl. zur Ermittlung dieser Tatsachen nicht angewandt werden. § 393 Abs. 1 S. 4 AO enthält eine Belehrungspflicht der Finanzbehörde. Entsprechend wird man dies in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG übertragen müssen; der Stpfl. ist daher darüber zu belehren, dass die unter § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG fallenden Angaben nicht erzwungen werden können, soweit Anlass zu einer sol...

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