3.2.2.1 Steuerpflichtiger Erwerb

 

Rz. 17

Die den einkommensteuerpflichtigen Einkünfte (Rz. 15) zugrundeliegenden Vermögensgegenstände müssen im erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb i. S. d. § 10 ErbStG, also der Bereicherung des Erwerbers enthalten gewesen sein. Hier werden auch die Wertverhältnisse der Vermögensgegenstände berücksichtigt oder Steuerbefreiungen abgezogen. Dabei sind nicht nur sachliche, sondern auch persönliche Steuerbefreiungen abzuziehen,[1] gegebenenfalls anteilig, falls auch frühere, aber nicht von § 35b EStG begünstigte Erwerbe nach § 14 ErbStG hinzugerechnet werden (Rz. 26).

 

Rz. 18

Dass das Gesetz nur von "Einkünften" spricht, wird im Schrifttum unter systematischen Gesichtspunkten kritisiert,[2] beeinträchtigt die Anwendung der Vorschrift aber – soweit ersichtlich – nicht. Hinsichtlich der in Betracht kommenden Sachverhalte haben allgemein die Fallgruppen (Rz. 19) die größte Bedeutung.[3]

 

Rz. 19

Praxisrelevant sind:

Realisierung stiller Reserven z. B. durch Veräußerungen i. S. d. §§ 17, 22, 23 EStG oder der Überführung von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen und der Zufluss erbschaftsteuerpflichtiger Forderungen des Erblassers und erbschaftsteuerpflichtige Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und Nutzungen, die der Erbe der ESt unterwerfen muss.

Rz. 20–24 einstweilen frei

 

Rz. 25

Handelt es sich bereits beim Erblasser um laufende Einkünfte (z. B. aus einem Urheberrecht), sollen diese Einkünfte nach m. E. zutreffender Auffassung nicht der Steuerermäßigung von § 35b EStG unterfallen.[4]

[1] BFH v. 13.3.2018, IX R 23/17, Rz. 24, BStBl II 2018, 593, BFH 2018, 1121; wegen der Hinzurechnung beim Ermäßigungsprozentsatz a. A. Schulz, in H/H/R, EStG/KStG, § 35b EStG Rz. 28; Paus, NWB 2019, 104.
[2] Vgl. nur Zimmermann, in Lademann, EStG, § 35b EStG Rz. 17, 24.
[3] Dazu ausführlich Schallmoser, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 35b EStG Rz. 14; Schulz, in H/H/R, EStG/KStG, § 35b EStG Rz. 26, Rz. 34; Kulosa, in Schmidt, EStG, 2023, § 35b EStG Rz. 18f.; Zimmermann, in Lademann, EStG, § 35b EStG Rz. 56ff.
[4] Schulz, in H/H/R, EStG/KStG, § 35b EStG Rz. 29.

3.2.2.2 Erwerb von Todes wegen

 

Rz. 26

Die Steuerermäßigung kommt nur in Betracht, wenn die Doppelbelastung mit ErbSt durch den Erwerb von Todes wegen entstanden ist.[1] Resultiert sie aus anderen erbschaftsteuerlichen Tatbeständen, ist die Steuerermäßigung nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 35b S. 1 EStG nicht anwendbar.[2] Die damit einhergehende Ungleichbehandlung wird aber als verfassungsgemäß eingestuft.[3] Werden dem stpfl. Erwerb von Todes wegen frühere Erwerbe nach § 14 ErbStG aus den letzten 10 Jahren hinzugerechnet (z. B. Vorerwerbe durch Schenkungen), sind die nicht begünstigten Erwerbe herauszurechnen.[4] Hieraus ergibt sich auch eine Aufteilung aller für die Steuerermäßigung relevanter Größen (z. B. bei persönlichen Steuerbefreiungen, Rz. 17; bei der festgesetzten ErbSt, Rz. 27).

[1] Ausführlich Zimmermann, in Lademann, EStG, § 35b EStG Rz. 30; FG München v. 19.3.2019, 12 K 2574/18, ZEV 2019, 504, Haufe-Index 13140054.
[2] Krit. dazu Zimmermann, in Lademann, EStG, § 35b EStG Rz. 17.
[3] Schulz, in H/H/R, EStG/KStG, § 35b EStG Rz. 6.

3.2.2.3 Belastung mit Erbschaftsteuer

 

Rz. 27

Für den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb muss es zu einer Festsetzung von ErbSt gekommen sein, damit § 35b EStG anwendbar ist. Eine Belastung mit Schenkungssteuer ist nicht ausreichend.[1] Anderweitige Voraussetzungen enthält die Vorschrift nicht (z. B. die Bestandskraft des ErbSt-Bescheids oder eine tatsächliche Zahlung der ErbSt). Auch hier gilt: Falls frühere, aber nicht von § 35b EStG begünstigte Erwerbe nach § 14 ErbStG hinzugerechnet werden, muss die festgesetzte ErbSt entsprechend aufgeteilt werden.[2]

 

Rz. 28

Ob nicht nur inländische, sondern auch ausl. ErbSt angerechnet werden kann, ist im Schrifttum umstritten und wird unter systematischen Argumenten teilweise abgelehnt.[3] Unterliegt auch ausl. Vermögen (ohne dortige Berücksichtigung einer latenten ESt-Belastung) der inländischen ErbSt und ist § 21 ErbStG nicht anwendbar, erscheint eine Anrechnung m. E. sachgerecht.[4]

 

Rz. 29

Eine Korrektur der ErbSt-Bescheids ist verfahrensrechtlich nach der wohl überwiegenden Meinung als rückwirkendes Ereignis und nicht als Grundlagen-/Folgebescheidverhältnis zu qualifizieren.[5] Dies erscheint zutreffend, vor allem bei einer Korrektur aufgrund der Nachbesteuerungstatbeständen der §§ 13a, 13b ErbStG, was die Annahme einer steuerliche Rückwirkung rechtfertigt.[6] Der Unterscheidung wird im Schrifttum deswegen eine Bedeutung beigemessen, weil sie für die Antragsfrist (Rz. 33) eine Bedeutung hätte.[7] Weil § 35b EStG aber nach der übereinstimmenden Auffassung im Schrifttum keine Frist enthält, die Antragstellung also bis zur formellen und materiellen Bestandskraft möglich ist, ist es m. E. für die Antragsstellung irrelevant, ob die materielle Bestandskraft über die Regelungen zu § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO durchbrochen wird.

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