Rz. 11

Einen Anspruch auf Gewährung des Behinderten-Pauschbetrags haben Menschen mit Behinderung, die in Deutschland unbeschränkt stpfl. sind. Der Begriff des Menschen mit einer Behinderung lehnt sich hierbei an § 2 Abs. 1 SGB IX an. Demnach gelten Menschen als mit einer Behinderung, "wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist". Folglich fallen altersbedingte Beeinträchtigungen (z. B. Hilflosigkeit eines Säuglings, altersbedingte Gebrechlichkeit) nicht hierunter.

 

Rz. 12

Nach den §§ 14ff. SGB XI[1] sind in den Pflegegrad 4 bzw. 5 Menschen einzustufen, die über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten (und im Umkehrschluss mithin "dauernd") hilflos sind. Unter Rückgriff auf die BFH-Rspr., nach welcher der Begriff "dauernd" einheitlich auszulegen ist[2], wird allgemein die Auffassung vertreten, dass eine Hilflosigkeit über einen Zeitraum von "lediglich" 6 Monaten ebenfalls ausreichend ist, um eine Gewährung des Behinderten-Pauschbetrags zu rechtfertigen[3], obgleich dies dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 SGB IX widerspricht. Besteht die Beeinträchtigung in 2 Vz, ist der Pauschbetrag in jedem Vz zu gewähren, selbst wenn die Beeinträchtigung weniger als ein Jahr lang andauert.[4] In Zweifelsfällen, die zwischen 2 Veranlagungsjahren liegen, ist ohnehin auf eine Prognose abzustellen. Fraglich ist allerdings, ob es im Nachhinein zu einer Aberkennung des Pauschbetrags kommen könnte, sofern Prognose und ggf. eine erfolgte Genesung erheblich voneinander abweichen.

 
Praxis-Beispiel

Unfall mit anschließender Genesung

Der Stpfl. R erleidet im Dezember 01 infolge eines Autounfalls ein schweres Hirntrauma. Unfallbedingt muss R deshalb seine motorischen Fähigkeiten von Grund auf neu erlernen; bis dahin ist er auf grundlegende Hilfe anderer angewiesen und gilt als behinderter Mensch i. S. d. § 2 Abs. 1 SGB IX. Die Ärzte rechnen nicht mit einer Besserung der Situation vor Ende des Jahres 02.

Im März 02 reicht die Ehefrau des Stpfl. die Steuererklärung (Zusammenveranlagung) beider Ehegatten beim zuständigen Wohnsitz-FA ein. Eine Bescheinigung über die Behinderung gem. § 152 SGB IX ist der Erklärung beigefügt. Der Steuerbescheid ergeht im April 02, der Pauschbetrag des § 33b EStG wird gewährt.

Die Genesung von R schreitet unterdessen zügiger voran, als die ersten medizinischen Untersuchungen es haben vermuten lassen. Bereits Anfang Mai 02 ist R nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen, die Bescheinigung gem. § 152SGB IX wird eingezogen.

Fraglich ist im voranstehenden Beispiel, ob durch die nachträgliche Einziehung des Ausweises der Pauschbetrag des § 33b EStG nachträglich zu versagen ist. M. E. kommt es auf die Prognose im Zeitpunkt der Gewährung des Ausweises an. Sofern diese nach bestem Wissen und Gewissen der behandelnden Ärzte erstellt wurde, spricht auch die kürzere Dauer der Behinderung nicht unbedingt gegen die Gewährung des Freibetrags. Zwar könnte die schnellere Genesung als rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu qualifizieren sein, gleichsam ist es nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 2 Abs. 1 SGB IX ausreichend, wenn die mehr als 6 Monate umfassende Hilflosigkeit "mit hoher Wahrscheinlichkeit" besteht. Dies wäre im obigen Beispiel gegeben.

Etwas anderes könnte m. E. gelten, sofern die Prognose auf einer eindeutigen Fehldiagnose basiert. In diesem Fall lagen die Voraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags von Anfang an nicht vor, sodass der Pauschbetrag nicht gewährt bzw. nachträglich aberkannt werden sollte.

[1] Neu gefasst m. W. v. 1.1.2017 durch G v. 21.12.2015, BGBl I 2015, 2424.
[3] Heger, in Blümich, EStG/KStG/GewStG/Nebengesetze, § 33b EStG Rz. 37.
[4] R 33b Abs. 8 S. 1 EStR 2012; Hufeld, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33b EStG Rn. B 33.

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