Rz. 40

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG enthält keine Definition des Begriffs der Kapitalgesellschaft und Genossenschaft. Aus dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich aber ableiten, dass die zivilrechtliche Rechtsform entscheidend sein soll. Die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft vorliegt, ist daher nach Maßgabe des Zivilrechts zu beantworten. Das deutsche Zivilrecht kennt als Kapitalgesellschaften die AG, die KGaA und die GmbH einschließlich der UG haftungsbeschränkt sowie als Genossenschaften die eG. Hinzu kommen auf europäischer Ebene die europäische Aktiengesellschaft SE und die europäische Genossenschaft SCE. Bei ausl. Rechtsgebilden ist ein sog. Typenvergleich durchzuführen, d. h. diese Rechtsgebilde sind darauf zu überprüfen, ob sie einer deutschen Kapitalgesellschaft in den wesentlichen Punkten vergleichbar sind. Andere Körperschaften als Kapitalgesellschaften und Genossenschaften werden von der Regelung nicht erfasst. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG setzt ferner voraus, dass an der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft eine Beteiligung von mindestens 10 % besteht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Beteiligungsquote ist der Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge i. S. d. § 11 Abs. 1 EStG. In die Berechnung der Beteiligungsschwelle von 10 % sind nur unmittelbare Beteiligungen einzubeziehen, wie der Vergleich mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zeigt, der unmittelbare und mittelbare Beteiligungen ausdrücklich erwähnt.[1] Bei einer Beteiligung von weniger als 10 % gilt § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG nicht. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist in diesem Fall auch kein Rückgriff auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG möglich, sodass es bei der Anwendung des proportionalen Sondertarifs i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG bleibt.[2] Die Ansicht hat sich der BFH angeschlossen.[3] § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) S. 1 EStG erfasst Fälle, in denen die Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zumindest zu 10 % an der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) S. 2 EStG erweitert den Tatbestand auf Fälle, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist. Für den Begriff des Nahestehens i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG gelten die zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG entwickelten Grundsätze entsprechend, s. dazu die Ausführungen unter Rz. 34ff.[4] Erforderlich ist danach ein absolutes Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnis. In Fällen, in denen Anteilseigner und Schuldner der Kapitalerträge jeweils Kapitalgesellschaften sind, muss der Gläubiger die Anteilseigner-Kapitalgesellschaft beherrschen, z. B. weil er über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung verfügt.[5]

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