Rz. 42

§ 26 Abs. 1 S. 1 EStG verlangt, dass beide Ehegatten unbeschränkt stpfl. sind. Ist einer der Ehegatten nur beschr. stpfl., weil er im Ausland lebt (§ 1 Abs. 4 EStG), entfällt die Möglichkeit zur Veranlagung nach den §§ 26a und 26b EStG[1]; es gelten dann die allgemeinen Vorschriften. Ausnahmen gelten für Angehörige der EU/EWR-Mitgliedstaaten (Rz. 46).

 

Rz. 43

Nach § 1 Abs. 1 EStG sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben[2], unbeschränkt stpfl. Hier gelten Ausnahmen für ausl. Diplomaten und Konsularbedienstete[3] und ihre im Inland lebende Familienangehörige, wenn sie die Staatsangehörigkeit des Entsendestaates besitzen, sowie für Angehörige ausl. Nato-Streitkräfte.[4]

 

Rz. 44

Nach § 1 Abs. 2 EStG sind unbeschränkt stpfl. auch deutsche Staatsangehörige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, jedoch zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und Einkünfte aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen (Auslandsbedienstete), und deren zum Haushalt gehörende Angehörige (erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht).[5] Dies gilt nicht für Mitarbeiter des Goethe-Instituts im Ausland.[6]

 

Rz. 45

§ 26 Abs. 1 S. 1 EStG verweist nicht auf § 1 Abs. 3 EStG. Fiktiv unbeschränkt Stpfl. i. S. v. § 1 Abs. 3 EStG (§ 1 EStG Rz. 49) steht daher – mit Ausnahme im Fall des § 1a EStG (Rz. 28) – das Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG nicht zu.[7]

 

Rz. 46

Der Verweisung in § 26 Abs. 1 S. 1 EStG auf § 1a EStG kommt keine rechtsbegründende Bedeutung zu. Dem in § 1a EStG umschriebenen Personenkreis (fiktiv unbeschränkt Stpfl.) werden die Veranlagungswahlrechte gem. der §§ 26a bis 26b EStG bereits durch § 1a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG eröffnet. Mit § 1a EStG hat der Gesetzgeber auf die Rspr. des EuGH reagiert, wonach der Ausschluss der Ehegattenwahlrechte für solche im Inland beschränkt stpfl. Eheleute, die ihren Großteil der Einkünfte im Inland beziehen, mit dem europäischen Recht unvereinbar ist.[8] Danach sind unter folgenden Voraussetzungen beide Ehegatten mit der Folge des Veranlagungswahlrechts unbeschränkt stpfl.:

  • unbeschränkt stpfl. EU/EWR-Bürger, d. h. mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (§ 1 Abs. 1 EStG)[9]; der Ehegatte hat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU/EWR-Staat (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 i. V. m. Nr. 1 S. 2 EStG) oder der Schweiz;
  • unbeschränkt stpfl. EU/EWR-Bürger, d. h. mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (§ 1 Abs. 1 EStG[10], der nach § 1 Abs. 3 EStG fiktiv unbeschränkt stpfl. ist; der Ehegatte hat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU/EWR-Staat. Hier muss das Gesamteinkommen (Welteinkommen) zu 90 % der deutschen ESt unterliegen[11] oder die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte dürfen nicht mehr als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG betragen (Vz 2019: 18.336 EUR).[12]
  • Angehörige des öffentlichen Dienstes mit Dienstort im Ausland (§ 1a EStG Rz. 34ff.).
 

Rz. 47

Die Anwendung von § 1a EStG ist auf EU/EWR-Bürger beschränkt. Aus dem Assoziierungsabkommen Türkei folgt keine entsprechende Anwendung auf türkische Staatsangehörige.[13] Hat der Ehegatte seinen Wohnsitz in der Schweiz, ist § 1a Abs. 1 EStG ebenfalls anwendbar.[14]

 

Rz. 48

Die Erfordernisse hinsichtlich der 90 %-Regel sind europarechtlich unbedenklich.[15] Unzutreffend erscheint allerdings die Prämisse, beim Splittingvorteil handele es sich um eine Steuervergünstigung. Vielmehr handelt es sich um eine sachgerechte Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips.[16] Die für die personelle Ausweitung der unbeschränkten Steuerpflicht maßgebende Höhe der Einkünfte in § 1 Abs. 3 S. 2 EStG ist nach deutschem Recht zu ermitteln, und zwar auch dann, wenn die Einkünfte im ausl. Wohnsitzstaat z. T. steuerfrei sind.[17]

Rz. 49 einstweilen frei

[2] BFH v. 22.10.2014, I B 101/13, BFH/NV 2015, 201 für den Fall, dass ein Ehepartner seinen Wohnsitz in der USA hat.
[3] Art. 34 des Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 6.8.1964, BGBl II 1964, 959; Art. 49 Abs. 1 des Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 26.8.1969, BGBl II 1969, 1585.
[4] Art. X Abs. 1 des Nato-Truppenstatuts v. 19.6.1951, BGBl II 1961, 1190.
[5] Zur beschränkten Steuerpflicht ausl. Konsulatsangehöriger s. BFH v. 13.11.1996, I R 119/95, BFH/NV 1997, 664.
[7] Saß, DB 1995, 295.
[9] Ausl. Arbeitnehmer; Deutsche sind gleichgestellt, Rädler, DB 1995, 793.
[10] Ausl. Arbeitnehmer; Deutsche sind gleichgestellt, Rädler, DB 1995, 793.
[11] BFH v. 1.10.2014, I R 18/13, BFH/NV 2015, 387 zur Einkommensermittlung.
[12] § 32a Abs. 1 EStG neu gefasst mit Wirkung für Vz 2020 durch G. v. 29.11.2018, BGBl I 2018, ...

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