Rz. 111

Für die Berechnung der Fristen gem. § 23 Abs. 1 EStG ist die Bestimmung des Zeitpunkts der Veräußerung und des Zeitpunkts der Anschaffung von wesentlicher Bedeutung. Nach h. M. und nach ständiger Rspr. muss sowohl für den Zeitpunkt der Veräußerung als auch für den Zeitpunkt der Anschaffung das Rechtsgeschäft zugrunde gelegt werden, mit dem alle bindenden Abmachungen hinsichtlich des Eigentumsübergangs getroffen worden sind. Denn dann ist das dingliche Geschäft nur noch die Folge im Ablauf des weiteren Geschehens. Deshalb ist grundsätzlich vom Zeitpunkt des der Veräußerung bzw. dem Erwerb zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts (in den meisten Fällen also vom Zeitpunkt des Kaufvertrags) auszugehen. Das gilt auch für aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte, da sie mit dem Abschluss für beide Parteien bindend sind und mit Bedingungseintritt Wirksamkeit entfaltet, ohne dass die Willensbekundung der Parteien bis dahin Bestand haben müssen (Rz. 83).[1]

Geht das wirtschaftliche Eigentum aber zu einem früheren Zeitpunkt über, beginnt die Frist mit Übergang von Gefahr, Nutzen und Lasten zu laufen.[2]

 

Rz. 112

In den Fällen des § 23 Abs. 1 S. 2 EStG ist für die Anschaffung aufgrund der Überführung in das Privatvermögen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe der Zeitpunkt maßgebend, der der Gewinnermittlung im betrieblichen Bereich zugrunde zu legen ist. Das muss auch aus § 23 Abs. 3 S. 2 EStG geschlossen werden.

 

Rz. 113

Ist für eine Veräußerung oder für eine Anschaffung eine behördliche Genehmigung notwendig, dann wirkt diese, wenn sie erteilt wird, ex tunc; es gilt also auch in diesen Fällen als Zeitpunkt der Veräußerung oder Anschaffung der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts. Ist eine behördliche Genehmigung erforderlich, wird diese aber versagt, dann stellt der Abschluss des Vertrags von Anfang an keine Anschaffung oder Veräußerung dar (Rz. 111).[3]

 

Rz. 114

Bei nur formeller Aufhebung eines Vertrags und dessen Neuabschluss wird keine neue Frist in Gang gesetzt.[4] Wird ein wirksamer Kaufvertrag aufgehoben und gleichzeitig ein inhaltsgleicher Vertrag mit dem Erwerber und dessen Ehefrau abgeschlossen, ist für die Frist der ursprüngliche Vertrag maßgebend.[5] Auch kann ein unvollständig beurkundeter und deshalb gem. § 311b, § 125 BGB formunwirksamer Kaufvertrag über ein Grundstück nach § 41 Abs. 1 AO eine für die Berechnung der Spekulationsfrist maßgebende Veräußerung sein. Das gilt insbesondere, wenn die Vertragspartner den Anschein eines vollständig beurkundeten und insofern wirksamen Rechtsgeschäfts erwecken und das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen lassen.[6]

Handelt dagegen ein vollmachtsloser Vertreter für den Käufer eines Grundstücks, wirkt die Genehmigung des Käufers nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags zurück. Erfolgt die Genehmigung nach Ablauf der Haltefrist, liegt kein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG vor.[7]

Wird dagegen ein Grundstückskaufvertrag gar nicht beurkundet oder vor dem Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten auf den Käufer rückgängig gemacht, liegt ein Anschaffungsgeschäft auch dann nicht vor, wenn der Verkäufer den Käufer am Mehrgewinn aus einem erneuten Verkauf des Grundstücks beteiligt.[8] U. U. ist hier jedoch ein Leistungsaustausch i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG gegeben.

 

Rz. 115

Bei einer vertraglich vereinbarten Rückübertragungsoption ist Anschaffungszeitpunkt des rückerworbenen Grundstücks der Tag, an dem die Erklärung des ursprünglichen Verkäufers gegenüber dem ursprünglichen Käufer, dass er das Rückkaufsrecht ausübe (§ 397 Abs. 1 S. 1 BGB), wirksam wird.[9] Wird ein Grundstück preisidentisch zurückgekauft, liegt keine rechtserhebliche Rückgängigmachung vor. Es handelt sich auch nicht um einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO, da der Rückkauf allein ein im Ermessen des Stpfl. liegender Vorgang ist, der die erste Veräußerung unberührt lässt.[10]

Die tatsächliche durchgeführte Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts (§ 346 Abs. 1 BGB) ist kein stpfl. Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. EStG. Dies gilt erst recht, wenn die Rückabwicklung trotz eines titulierten Anspruchs nicht durchgeführt wird.[11]

Wenn auch grundsätzlich das schuldrechtliche Rechtsgeschäft maßgeblich ist, dann kann u. U. dennoch das dingliche Geschäft die Frist des § 23 EStG in Gang setzen (Anschaffung) oder beenden (Veräußerung). Das kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn das Verpflichtungsgeschäft aus Formgründen nicht rechtsgültig war, durch die dennoch folgende Eigentumsübertragung aber wirksam wurde. Durch das zunächst nicht rechtsgültige Verpflichtungsgeschäft wurden zwar alle Abmachungen für den Eigentumsübergang getroffen, die Verpflichtungen waren jedoch nicht durchsetzbar, also nicht bindend. Erst mit dem Eigentumsübergang wird das Verpflichtungsgeschäft wirksam. Also ist hier auf das dingliche Geschäft abzustellen.[12]

Ebenso ist auf das dingliche Geschäft abzustellen, wenn dieses ausnahmsweise vor dem schuldrechtlichen abgeschlossen wird. Das kann der...

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