Rz. 70

Die übergebene Wirtschaftseinheit muss ausreichend Ertrag bringend sein. Das bedeutet, dass die erzielbaren Nettoerträge aus dem übergebenen Vermögen im konkreten Fall bei überschlägiger Berechnung ausreichen, die Versorgungsleistungen zu erbringen. Ist dies offenkundig nicht der Fall, kann der Vertragstypus "Versorgungsleistungen" nicht vorliegen, da der Übergeber keine Versorgung aus dem übergebenen Vermögen erhält, das Bild der "vorbehaltenen Erträge" somit nicht vorliegt, sodass keine unentgeltliche Vermögensübertragung, sondern Entgelt gegeben ist. Unschädlich ist, dass die Erträge schwankend sind, da dieser Situation durch die grundsätzliche Abänderbarkeit eines solchen Versorgungsvertrags (Rz. 91) Rechnung getragen wird.[1] Im Fall der Reinvestition ist der Ertrag maßgeblich, der auf den reinvestierten Erlös entfällt.

Liegen zwar ausreichende Erträge vor, verfügt das Unternehmen jedoch nach Abzug des Unternehmerlohns weder über einen positiven Substanzwert noch über einen positiven Ertragswert, sind die Versorgungsleistungen nicht als Sonderausgaben abziehbar, sondern sind Unterhaltszahlungen i. S. v. § 12 Nr. 2 EStG. Dies wird damit begründet, dass zum einen in diesem Fall überhaupt kein Vermögen übergeben wird, zum anderen das Bild der "vorbehaltenen Erträge" nicht gegeben ist, da die Versorgungsleistungen nicht aus dem übergebenen Vermögen, sondern ausschließlich aus der Arbeitsleistung des Übernehmers finanziert werden.[2]

Die Verwaltung folgt dieser Auffassung nicht, sondern lässt – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – die Zahlungen zum Abzug als Sonderausgaben zu.[3] Dem ist zu folgen. Die Rspr. des Großen Senats würde in einer Vielzahl von Fällen dazu führen, dass Freiberufler, Dienstleister, Pachtbetriebe und insbesondere land- und forstwirtschaftliche Betriebe nicht mehr gegen Versorgungsleistungen übertragen werden könnten, da diese Betriebe keinen ausreichenden Ertragswert haben, da in ihnen oft nicht mehr an Einkünften erzielt wird als bei einer vergleichbaren nichtselbstständigen Stellung als Lohn.[4]

Der Entscheidung des Großen Senats lag der Fall der Übertragung einer in gemieteten Räumen betriebenen Gaststätte zugrunde, die nach Feststellung des FG weder über einen positiven Substanzwert noch positiven Ertragswert verfügte. Die übergebenden Eltern hatten in den Jahren 1978 bis 1986 Gewinne zwischen 45.157 DM und 3.105 DM und 1987 einen Verlust von 23.296 DM erklärt. Der im Betrieb seiner Eltern mitarbeitende Sohn erzielte als Geschäftsführer der Gaststätte in den Jahren 1984 bis 1987 ein Bruttogehalt von jeweils 50.400 DM. Die Bilanz zum 31.12.1987 wies ein negatives Kapitalkonto von 133.246 DM auf. Der Sohn erklärte selbst für die Jahre 1988 bis 1994 Gewinne zwischen 28.326 DM und 99.120 DM. Vom Ertrag der Gaststätte konnten sowohl die Eltern als auch der im Betrieb mitarbeitende Sohn und spätere Vermögensübernehmer leben.

M. E. ist das Bild der "vorbehaltenen Erträge" gegeben. Der Betrieb hat sowohl vor als auch nach der Übertragung ausreichende Erträge erzielt, damit Eltern und Sohn davon leben konnten, nach der Übertragung ausreichende Erträge zur Zahlung der Versorgungsleistungen. Diese Erträge haben sich die Übergeber vorbehalten und diese Erträge sind an sie gezahlt worden. Es ist gerade das typische Bild, dass die Erträge nach der Übertragung vom Übernehmer erwirtschaftet werden müssen. Auch bei einem Betrieb mit positivem Ertrags- oder Substanzwert hängt die wirtschaftliche Leistung vom eigenen Einsatz des Übernehmers ab. Er ist in vielen Fällen dafür verantwortlich, dass ausreichende Erträge erwirtschaftet werden. Ist aber der vorbehaltene Ertrag in jedem Fall – auch – von der Einsatzbereitschaft des Übernehmers abhängig, kann der Wert des Vermögens keine Rolle spielen.

Der Große Senat lässt offen, wie zu entscheiden wäre, wenn zwar ein Ertragswert vorhanden, dieser aber geringer als der Rentenbarwert ist. Hier stellt der Große Senat nach wie vor auf die 50 %-Grenze ab, wonach Versorgungsleistungen vorliegen sollen, wenn nach Abzug eines Unternehmerlohns der Unternehmenswert mindestens 50 %. des Rentenbarwerts ausmacht. Was bei Werten darunter erfolgt – Aufteilung oder volle Versagung –, hat der Große Senat ausdrücklich offen gelassen, braucht aber nicht entschieden zu werden, wenn man der Verwaltungsauffassung folgt, dass bei ausreichenden Erträgen immer Versorgungsleistungen vorliegen.

 

Rz. 71

Die Finanzverwaltung hatte bisher für die Beurteilung der ausreichenden Ertragskraft in 2 verschiedene existenzsichernde Wirtschaftseinheiten unterschieden, die als Typus 1 und Typus 2 bezeichnet wurden.[5] Typus 1 setzte die in Rz. 70 beschriebenen Voraussetzungen voraus, die Erträge müssen die Versorgungsleistungen erbringen.

War dies nicht der Fall, lagen trotzdem Versorgungsleistungen vor, wenn die übergebene Wirtschaftseinheit zwar dem Grunde nach existenzsichernd, aber wenig ertragreich war, z. B. bei Betrieben mit geringen Gewinnen oder Mietwohngrundstücken mit geringen ...

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