Rz. 38

Ein allgemeinverbindlicher Kunstbegriff existiert auch im Steuerrecht nicht, obwohl Zweifelsfragen gerade im "Steuerrechtsalltag" relativ häufig sind.[1] Was "Kunst" ist, wer "Künstler" ist, wird von der Rspr. beschreibend ("Typusbegriff") bestimmt. Eine künstlerische Tätigkeit liegt danach vor, wenn der Stpfl. eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt, und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus grundsätzlich eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht.[2] Eine bestimmte fachliche Qualifikation ist im Unterschied zu den übrigen Katalogberufen nicht erforderlich.[3] Ähnlich lautet die Definition des BVerfG, wonach das Wesen der künstlerischen Betätigung darin liege, Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse der Kunstschaffenden in freier, schöpferischer Gestaltung durch ein Medium unmittelbar zum Ausdruck zu bringen.[4] Art. 5 Abs. 3 GG verbietet es nicht, die Grundanforderungen künstlerischer Tätigkeit festzulegen.[5] Die Anerkennung der Kunsteigenschaft darf allerdings nicht von einer staatlichen Stil-, Niveau- und Inhaltskontrolle oder von einer Beurteilung der Wirkungen des Kunstwerks abhängig gemacht werden.[6] Erlaubt und notwendig ist nur die Unterscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst.

Auf die subjektive Vorstellung des Stpfl. von der Bedeutung seiner Werke kommt es dagegen nicht an. Der überkommene Kunstbegriff der Rspr. ist freilich problematisch: Neue Kunstformen und Entwicklungen i. S . eines formellen Kunstbegriffs werden dieser Anschauung nicht immer gerecht. Der BFH erkennt an, dass Kunstwerke auch unter Verwendung von Gebrauchsgegenständen, etwa durch Verfremdungen, entstehen können.[7] Die Abgrenzung ist dann umso schwieriger. Dennoch oder gerade deswegen erfordert der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (Art. 20 Abs. 3 GG) im Steuerrecht einen objektiven Kunstbegriff, der eine allgemein nachvollziehbare Abgrenzung der künstlerischen von der gewerblichen Betätigung aufgrund einer konkreten Definition ermöglicht. Besondere Bedeutung bei der Beurteilung dessen, was als künstlerisch einzustufen ist, wird dabei der allgemeinen Verkehrsauffassung beigemessen.[8]

 

Rz. 39

Die eigenschöpferische Leistung setzt zum einen eine individuelle Begabung des Stpfl. voraus, die dem Kunstwerk eine gewisse Einzigartigkeit verleiht. Zum anderen müssen eigene Vorstellungen in das Werk einfließen. Dass eine bestimmte künstlerische Technik oder Ausdrucksmöglichkeit gerade nicht erlernt werden kann, ist ein Wesensmerkmal von Kunst.[9] Dagegen ist für die Annahme von Kunst nicht zwingend Voraussetzung, dass es sich um ein einmaliges Werk handelt. Auch eine reproduzierende Tätigkeit kann künstlerisch sein, so z. B. bei Musikern oder Sängern.[10] Häufig liegt es auch in der Natur der Sache, dass Kunstwerke etwa in kleinen Serien oder begrenzten Auflagen hergestellt werden. So steht eine Vervielfältigung im Bereich der Grafik der Qualifizierung als Kunst nicht entgegen.[11] Die Anfertigung von Entwürfen oder Plänen ist dann eine künstlerische Tätigkeit, wenn gerade hierin die eigenschöpferische Betätigung zu erblicken ist. Tritt sie jedoch in den Hintergrund, weil sie z. B. lediglich die Grundlage für eine Serienproduktion darstellt, liegt eine gewerbliche Tätigkeit vor. Entsprechend fehlt es an der eigenschöpferischen Betätigung, wenn die Tätigkeit wesentlich in einem Reproduzieren aufgrund von Mustern, Schablonen usw. besteht. Eine allein unterhaltende Tätigkeit, wie die eines "Zauberkünstlers"[12], ist noch nicht künstlerisch. Ebenso wenig trifft das auf die bloße Darstellung der eigenen Person zu, da es dann an einem Kunstwerk fehlt. Dieser formale Ansatz hindert auch die Einordnung der Lebensberatung eines "Mediums", das mithilfe von Telepathie und Parapsychologie tätig wird, als künstlerisch. Das Ergebnis (z. B. das Lösen von Blockaden bei anderen Menschen) kann keinem bestimmten Werktyp (Malerei, Bildhauerei etc.) zugeordnet werden.[13]

 

Rz. 40

Wegen der unterschiedlichen Anforderungen an die künstlerische Gestaltung des Werks und der Frage, ob eine besondere Sachkunde zu deren Beurteilung erforderlich ist (Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens), nimmt die Rspr. eine Zweiteilung in zweckfreie Kunst einerseits und in (zweckgebundene) Gebrauchskunst (wozu Kunstgewerbe und Kunsthandwerk zu zählen sind) vor.[14] Haben die Arbeitsergebnisse einer künstlerischen Betätigung einen praktischen Gebrauchswert, wie dies z. B. bei den Werken von Gebrauchsgrafikern, Kunsthandwerkern, Modezeichnern etc. der Fall ist, ist der Tätigkeit nicht von vornherein der künstlerische Wert zu versagen. Erforderlich ist jedoch, dass festgestellt werden kann, dass eine eigenschöpferische Leistung, in der sich eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungskraft widerspiegeln, vorliegt und dass diese Leistung eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht.[15] An einer eigenschöpferis...

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