Rz. 230

Bei einer Betriebsübertragung gegen eine Rentenzahlung muss zwischen der Veräußerungsrente und der privaten Versorgungsrente unterschieden werden. Eine Betriebsübertragung gegen eine private Versorgungsrente ist kein Veräußerungsvorgang, sondern ein unentgeltliches Rechtsgeschäft.[1]

Wird ein Betrieb unter Vereinbarung einer Veräußerungsrente gegen eine Zeitrente, Leibrente oder dauernde Last veräußert, steht dem Veräußerer ein Wahlrecht zu zwischen einer tarifbegünstigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung nach den §§ 16, 34 EStG (Sofortbesteuerung) und einer – nicht nach den §§ 16, 34 EStG begünstigten – Besteuerung der einzelnen Zahlungen im jeweiligen Jahr des Zuflusses als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 24 Nr. 2 EStG (Zuflussbesteuerung, R 16 Abs. 11 EStR 2012).[2]

Das Wahlrecht hat nach der Rspr. seine Rechtsgrundlage in einer teleologischen Reduktion des (zwingenden) Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG, dem Verhältnis dieser Bestimmungen zu § 24 Nr. 2 EStG und im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung. Die jüngere Rspr. verweist auf die fehlende Korrekturmöglichkeit des Veräußerungspreises bei vorzeitigem Versterben des rentenberechtigten Veräußerers mit der Folge, dass der Veräußerer bei sofortiger Versteuerung Gewinne zu versteuern hätte, die er tatsächlich niemals erzielt hat.[3]

Rechtssystematisch zutreffend dürfte das Wahlrecht allerdings wohl nur als eine Billigkeitsregelung i. S. v. § 163 Abs. 1 S. 2 AO begründbar sein.[4] Auf dieser Grundlage ist R 16 Abs. 11 EStR 2012 als Selbstbindung der Verwaltung hinsichtlich des Ermessens bei der Anwendung von § 163 AO bei Veräußerungen gegen wiederkehrende Bezüge zu verstehen. § 24 Nr. 2 EStG gibt für die nachträgliche Erfassung als laufende Einkünfte m. E. keine ausreichende Rechtsgrundlage, weil diese Vorschrift erkennbar subsidiär in dem Sinne ist, als nur solche Einkünfte nachträglich zu erfassen sind, die nicht bereits früher durch die reguläre Gewinnermittlung (eine solche ist auch § 16 Abs. 2 EStG) erfasst wurden.

 

Rz. 231

Das Wahlrecht ist beschränkt auf Fälle, in denen wiederkehrende Bezüge

  • aufgrund ihrer langen, "nicht mehr überschaubaren"[5] Laufzeit oder ihrer Art[6] mit einem Wagnis behaftet sind oder
  • hauptsächlich im Interesse des Veräußerers vereinbart sind, um dessen Versorgung zu sichern.

Kein Wahlrecht besteht deshalb bei der Vereinbarung von Kaufpreisraten, auch wenn diese über eine längere Zeit laufen, die Laufzeit aber zehn Jahren nicht überschreitet[7]. In einem solchen Fall ist der – ggf. mit einem Zinssatz von 5,5 % abgezinste – Kaufpreis anzusetzen und der sich dabei ergebende Veräußerungsgewinn nach den §§ 16, 34 EStG sofort, aber begünstigt zu versteuern. Wird der Kaufpreis später teilweise uneinbringlich, wirkt dies auf die Höhe des Veräußerungsgewinns des Veräußerungsjahrs zurück (Rz. 214).

Setzt sich der Veräußerungspreis aus wiederkehrenden Bezügen und einem festen Entgelt zusammen, so besteht das Wahlrecht nur hinsichtlich der wiederkehrenden Bezüge (R 16 Abs. 11 S. 9 EStR 2019; Rz. 248)[8], der Festbetrag wird bei der Ermittlung des sofort zu versteuernden Veräußerungsgewinns berücksichtigt.

 

Rz. 232

Wird die Sofortbesteuerung gewählt, so ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der versicherungsmathematisch oder nach § 13 (ggf. auch 14) BewG zu errechnende Barwert der Rente anzusetzen. Die in den später zufließenden Renten- oder Ratenbeträgen enthaltenen Zins- oder Ertragsanteile sind nach § 22 Nr. 1 S. 3 EStG (bei Leibrenten) als sonstige Einkünfte bzw. nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (bei Zeitrenten und Raten) als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Als Ertragsanteile gelten auch die Erhöhungsbeträge aufgrund einer Wertsicherungsklausel, weil diese den durch die Langfristigkeit eintretenden Wertverlust durch einen zusätzlichen Ertrag auffangen soll, mithin also Ertrags- und nicht Kapitalcharakter hat[9]. Ob die Ertragsanteile als sonstige Einkünfte bzw. Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sind oder als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb, hängt davon ab, ob die Kaufpreisforderung nach der Veräußerung des Betriebs Privatvermögen wird oder Betriebsvermögen bleibt[10].

Bei der Zuflussbesteuerung sind die Rentenzahlungen in Zins- bzw. Ertragsanteile einerseits und Kapitalanteile andererseits aufzuteilen. Die Zins- bzw. Ertragsanteile sind jeweils bei Zufluss als stpfl. Einkünfte zu erfassen (§ 24 Nr. 2 EStG oder § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bzw. § 22 Nr. 1 S. 3 EStG), und zwar von der ersten Zahlungsrate an (R 16 Abs. 11 S. 7 EStR 2012 mit Aufrechterhalten der in den früheren EStR enthaltenen Regelung)[11]; die Veräußerungsforderung verbleibt im (Rest-)Betriebsvermögen.[12] Die in den laufenden Zahlungen enthaltenen Kapitalanteile sind zunächst bis zu dessen Erschöpfung gegen den Buchwert des hingegebenen Betriebsvermögens zuzüglich der Veräußerungskosten zu verrechnen; darüber hinaus gehende Zahlungen sind nachträgliche Einkünfte au...

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