Leitsatz

1. Der nationale Gesetzgeber ist unionsrechtlich nicht verpflichtet, einen Gemeinnützigkeitsstatus nach ausländischem Recht anzuerkennen.

2. Die Festschreibung des Satzungszwecks und die Art seiner Verwirklichung in der Satzung sollen es der Finanzbehörde ermöglichen, die Voraussetzungen der Steuervergünstigung leicht und einwandfrei zu überprüfen. Dies ist nicht der Fall, wenn in der Satzung auf ausländische Regelungen verwiesen wird, die vom nationalen Recht abweichen, und sich auch sonst aus der Satzung selbst nicht ergibt, dass die Anforderungen des nationalen Gemeinnützigkeitsrechts gewahrt werden.

3. Wird nach den Angaben in der Satzung neben einem begünstigten Zweck ein nicht begünstigter Zweck verfolgt, verstößt die Satzung gegen das Gebot der Ausschließlichkeit i.S. von §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 56 AO.

 

Normenkette

§ 60a Abs. 1 Satz 1, § 53 Nr. 2, § 51 Abs. 1 Satz 1, § 56 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Stiftung, deren Errichtung auf die letztwillige Verfügung der A zurückgeht. Mit dieser Verfügung hatte A ihr gesamtes, sowohl in Deutschland als auch in Österreich belegenes Vermögen der Klägerin vererbt, zu dem auch der X‐Hof in Österreich gehörte. A war Alleinerbin ihres zuvor verstorbenen Ehemannes B. Die Klägerin wurde in das österreichische Stiftungs- und Fondsregister eingetragen.

Zweck der Klägerin ist die Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere des … i.S.d. Lebenswerks von A und B. Begünstigt sind Künstler, die u.a. hauptsächlich im Bereich des … künstlerisch tätig sind und nachweislich einer finanziellen Zuwendung bedürfen, um ihre Kunst ausüben zu können, sowie u.a. juristische Personen und Personengesellschaften für Veranstaltungen, die auf unmittelbare Weise der Zweck­erreichung dienen unter den Bedingungen, die für die Künstler gelten (Punkt XV der Satzung).

Einen Antrag der Klägerin auf Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit lehnte das FA ab. Demgegenüber gab das FG der Klage statt und verpflichtete das FA, die formelle Satzungsmäßigkeit festzustellen (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 4.5.2020, 6 K 53/18, Haufe-Index 14449522, EFG 2021, 1085).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Das FG habe zu Unrecht die formelle Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AO bejaht. Der Antrag auf Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AO sei abzulehnen, da die Satzung der Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 51 AO erfüllt. Aus ihr sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin mildtätige Zwecke i.S.d. § 53 AO verfolge, sodass ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO vorliege.

 

Hinweis

1. Ob die formelle Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AO gegeben ist, richtet sich für im In- und Ausland ansässige Körperschaften gleichermaßen nach dem nationalen Recht. Es besteht insbesondere auch keine unionsrechtliche Pflicht, einen Gemeinnützigkeitsstatus nach ausländischem Recht anzuerkennen, da es den Mitgliedstaaten freisteht, welche Interessen der Allgemeinheit sie fördern wollen. Daher stehen z.B. Verweisungen auf ausländische Vorschriften einer Verweisung auf Vorschriften der AO grundsätzlich nicht gleich.

Dies zeigt sich exemplarisch am Besprechungsfall. In Bezug auf die Mildtätigkeit entspricht eine Bezugnahme auf die österreichische Vorschrift des § 37 BAO nicht einer Verweisung auf § 53 AO, da der österreichischen Vorschrift eine dem inländischen Recht entsprechende Festlegung in Bezug auf den Kreis der hilfsbedürftigen Personen fehlt.

2. Sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 59 AO der steuerbegünstigte Zweck und die Art seiner Verwirklichung so weit wie möglich bereits in der Satzung zu konkretisieren, reicht es im Bereich der mildtätigen Zwecke gemäß § 53 AO nicht aus, wenn die Tätigkeit einer Körperschaft darauf gerichtet ist, Künstler zu unterstützen, die "nachweislich einer finanziellen Zuwendung bedürfen, um ihre Kunst ausüben zu können". Eine finanzielle Zuwendung hängt dann nicht, wie in § 53 Nr. 2 AO gefordert, von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Künstler ab.

3. Wird nach der Satzung neben einem begünstigten Zweck ein nicht begünstigter Zweck verfolgt, verstößt die Satzung gegen das Gebot der Ausschließlichkeit i.S.v. §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 56 AO. Es ist dann die Anerkennung der formellen Satzungsmäßigkeit insgesamt ausgeschlossen. Demgemäß kommt es auf die Frage einer Steuerbegünstigung in Bezug auf andere Zwecke nicht mehr an.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.8.2022 – V R 15/20

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