Zum Bilanzstichtag werden nur solche Forderungen gebucht, die bereits entstanden sind. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind zu aktivieren, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann.[1] Bei Lieferung von beweglichen Gegenständen (z. B. Waren) entsteht eine Forderung, sobald die betreffenden Sachgüter an den Kunden ausgeliefert worden sind. Der Kunde muss die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand erhalten haben. Bei Dienstleistungen und Werkleistungen müssen Forderungen in der Bilanz erstmals ausgewiesen werden, wenn der geschuldete Erfolg erbracht wurde (z. B. Auto-Reparatur). Ob und wann die Rechnung erstellt wird und ob sie fällig ist, ist für die Aktivierung der Forderung unerheblich.

Wird eine Forderung aus Lieferungen und Leistungen eingebucht, erhöht dies stets den Gewinn um den Nettorechnungsbetrag.[2]

Eine Passivierung erhaltener Projektentwicklungshonorare für eine noch ausstehende zeitraumbezogene Leistung ist nicht als erhaltene Anzahlung, sondern nur unter den Voraussetzungen der passiven Rechnungsabgrenzung möglich. Eine Schätzung der "bestimmten Zeit" als Tatbestandsvoraussetzung für eine passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Einnahmen ist zulässig, wenn sie auf "allgemeingültigen Maßstäben" beruht. Daran fehlt es, wenn die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte. Der BFH hat ausgeführt, dass bei Schuldverhältnissen, die zeitraumbezogene Leistungsverpflichtungen begründen, wegen der Gewinnrealisierung danach zu unterscheiden ist, ob die Dauerhaftigkeit der Leistung selbst anhaftet oder nur den zeitlichen Rahmen für einzelne Leistungen bildet. Im letztgenannten Fall (z. B. bei Sukzessivlieferverträgen und Wiederkehrschuldverhältnissen) tritt die Realisierung schon bei Erfüllung jeder einzelnen Leistung ein. Schuldverhältnisse, bei denen die geschuldete Leistung selbst zeitraumbezogen ist, führen demgegenüber zu einer zeitanteiligen Gewinnrealisierung, wenn für den gesamten Zeitraum eine qualitativ gleichbleibende Dauerverpflichtung besteht.[3]

Der BFH hat entschieden, dass eine Filmvertriebsgesellschaft durch die Einräumung von Verwertungsrechten an einem im Wege der unechten Auftragsproduktion hergestellten Film kein wirtschaftliches Eigentum an den Filmrechten erworben hat und damit die Filmproduktionsgesellschaft im Zeitpunkt der Ablieferung des Films keine Forderung aktivieren muss.[4]

 
Praxis-Beispiel

Gewinn wird auch vor Rechnungsstellung realisiert

Ein Unternehmer liefert am 22.12.01 einem Kunden eine Maschine. Die Rechnung vom 4.1.02 lautet über 25.000 EUR zzgl. 4.750 EUR USt. Der Rechnungsbetrag wird vereinbarungsgemäß am 5.2.02 überwiesen. Der Unternehmer muss in diesem Fall bei Bilanzerstellung für das Jahr 01 eine Forderung i. H. v. 29.750 EUR einbuchen. Der Kunde hat im Jahr 01 die Verfügungsmacht über die Maschine erhalten; für die Verbuchung der Forderung in 01 ist es ohne Bedeutung, dass die Rechnung erst im Jahr 02 ausgestellt wurde. Durch die Aktivierung der Forderung erhöht sich der Gewinn um 25.000 EUR (Gewinnrealisierung i. H. d. Nettorechnungsbetrags) in dem Jahr, in dem die Maschine ausgeliefert wurde.

 
Wichtig

Spätere Verbuchung von Forderungen kann Steuerhinterziehung bei der Umsatzsteuer sein

In der Bauwirtschaft kommt es vor, dass Schlussrechnungen erst Monate nach Fertigstellung gestellt werden. Lässt sich der Betriebsprüfer die Abnahmeprotokolle zeigen und sieht er, dass für im Dezember abgenommene Leistungen die korrespondierenden Rechnungen erst im März des Folgejahres gebucht wurden, kann er solche Unregelmäßigkeiten der Steuerfahndung melden. Bei der Umsatzsteuer liegt dann zumindest eine Steuerverkürzung auf Zeit vor.[5]

Unterjährige Zinsvorteile sind bei der Prüfung eines Liquiditätsvorteils im Rahmen des Billigkeitserlasses von Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer gemäß § AO § 233a AO unbeachtlich. Dem Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer steht nicht entgegen, dass es zu mehreren aufeinanderfolgenden jahresübergreifenden Umsatzverlagerungen kommt.[6]

[4] BFH, Urteil v. 14.4.2022, IV R 32/19, BFH/NV 2022 S. 1085.
[5] Gleich lautende Erlasse betr. Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV (St) 2023 – v. 4.1.2023, S 0700; S 0720, Tz. 77 Abs. 3, BStBl 2023 I S. 103.

2.1.1 Trotz Lieferung/Leistung besteht in Einzelfällen keine Bilanzierungspflicht

Forderungen müssen noch nicht gebucht werden:

  • Bei einem Verkauf auf Probe gem. § 454 BGB und beim Versandhandel
 
Praxis-Beispiel

Kunde hat noch keine Verfügungsmacht bei Lieferung zur Ansicht

Ein Unternehmer liefert einem Kunden Ware für 4 Wochen zur Ansicht. Erst wenn diese Frist verstrichen ist oder der Kunde signalisiert,...

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