LfSt Bayern v. 13.5.2013, S 0127.1.1 - 11/2 St 42

 

1. Allgemeines

Sog. „Firmenbestatter” kaufen insolvente oder insolvenzgefährdete Unternehmen (zumeist Kapitalgesellschaften, insbesondere GmbH und AG) im Auftrag des betroffenen Unternehmers auf. Gegen die Entrichtung einer „Übernahmegebühr” oder eines „Entsorgungsentgelts” sagen die in aller Regel gewerblichen Firmenbestatter den ehemaligen Geschäftsführern die volle Schuldenübernahme zu.

Die Gesellschaftstätigkeit wird sodann eingestellt, die Arbeitnehmer entlassen und die Gesellschaft gänzlich liquidiert. Die Buchführung des aufgekauften Unternehmens wird regelmäßig nicht weitergeführt. Dadurch werden vor allem folgende Ziele verfolgt:

  • vorhandene Vermögensgegenstände sollen beiseite geschafft,
  • ausstehende Forderungen vereinnahmt,
  • Beweismittel (z.B. Buchführungsunterlagen) vernichtet,
  • Verantwortungsverhältnisse verschleiert,
  • Gläubiger benachteiligt,
  • ehemalige Geschäftsführer vor Haftungsinanspruchnahme geschützt und
  • die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens behindert werden.

Im Anschluss an die Übernahme sämtlicher Geschäftsanteile und die Berufung eines neuen Geschäftsführers oder Vorstands beantragen sie regelmäßig eine Sitzverlegung des Unternehmens, um ein späteres Insolvenzverfahren in die Zuständigkeit eines anderen Insolvenzgerichtes, ggf. in ein anderes Bundesland zu bringen. Vielfach wird der Unternehmenssitz und/oder die Geschäftsleitung sogar ins Ausland verlegt.

Die „Firmenbestatter” beabsichtigen mit diesem Verfahren einen Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit, da eine unter Umständen langwierige Aktenabgabe und -übernahme seitens der Finanzverwaltung wiederum zur Versäumung wichtiger Fristen und Termine und letztlich auch zum gänzlichen Steuerausfall führen kann.

 

2. Verfahrensrechtliche Behandlung:

Wird der Firmensitz des insolventen oder in Liquidation befindlichen Unternehmens an einen Ort verlegt, der nicht im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts liegt, welches bisher für die Besteuerung der Kapitalgesellschaft zuständig war, tritt nach § 26 Satz 3 AO kein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit mehr ein, solange über einen Insolvenzantrag noch nicht entschieden wurde, ein eröffnetes Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben wurde oder sich eine Personengesellschaft oder in Firmenbestattungsfällen meist eine juristische Person in Liquidation befindet. Eine Liquidation beginnt in der Regel mit der Auflösung und endet mit der Löschung im Handelsregister. Das Vorliegen einer der drei Voraussetzungen reicht für eine Sperre des Zuständigkeitswechsels aus.

Das bisher für die Besteuerung zuständige FA hat das Verwaltungsverfahren fortzuführen und zu beenden.

Besonderer Hinweis zur Umsatzsteuer:

Eine Verlegung des Sitzes ins Ausland hat zur Folge, dass nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AO in Verbindung mit der UStZustVO ein Übergang der örtlichen Zuständigkeit auf das für den jeweiligen ausländischen Staat zuständige Zentralfinanzamt erfolgt. Da ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit jedoch kurz vor Erlöschen der Steuerpflicht nicht zweckmäßig ist, verbleibt die örtliche Zuständigkeit entgegen der vorgenannten Regelung beim bisher zuständigen FA.

Zur Erkennung und Behandlung von Firmenbestattern vgl. Verfügung OFD München S 0500 – 220 St 349 vom 29.1.2004 sowie Verfügung OFD Nürnberg S 0500 – 5416/St 44 vom 10.2.2004 (AIS: Themen > Arbeitsbereiche > Vollstreckung > Vollstreckungsinnendienst > Firmenbestatter)

Besprechung zu dieser Verwaltungsanweisung

 

Normenkette

AO 1977 § 21 Abs. 1 Satz 2

AO 1977 § 26

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