Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine steuerfreien Umsätze auf Tinker- und Ponyhof

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Steuerbefreiung der Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG kommt nur in Betracht, wenn eine hierfür erforderliche berufliche Qualifikation nachgewiesen wird. Die Vorschrift in § 4 Nr. 23 UStG ist nur anwendbar, wenn das Unternehmen mit den dort genannten Einrichtungen vergleichbar ist. Für die Anwendung des § 4 Nr. 25 UStG ist die Anerkennung als Träger öffentlicher oder freier Jugendhilfe erforderlich.

Die unmittelbare Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe h und i MwStSystRL ist nur möglich, wenn die amtliche Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 08.11.2007 V R 2/06, BStBl. II 2008, 634). Die Anwendung von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe m MwStSystRL erfordert die Gemeinnützigkeit des Unternehmens.

 

Normenkette

UStG § 4 Nrn. 14, 23, 25; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. h, i, m

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.11.2014; Aktenzeichen XI R 25/13)

BFH (Urteil vom 26.11.2014; Aktenzeichen XI R 25/13)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin auf ihrem Tinker- und Ponyhof steuerfreie Umsätze erbringt.

Die Klägerin unterhielt auf einem Hofgrundstück in 1 etwa 30 Pferde und Ponys verschiedener Rassen, daneben weitere Tiere wie Schafe, Zwergziegen, Hasen und andere Kleintiere. Das Anwesen umfasste Stallungen, Scheunen, Koppel, Reitplatz etc., aber keine Reithalle. Ein Gewerbe für pädagogisch-therapeutisches Reiten sowie An- und Verkauf von Pferdezubehör meldete sie zum 02.01.2001 an. Hierin gab sie als Wohnanschrift eine Adresse bei 2 und als Anschrift der Betriebsstätte die Adresse Str. 1 , 3 an. Im Fragebogen des Finanzamts zur Gewerbeanmeldung gab sie als Betriebssitz die genannte Adresse in 3 , die spätere Privatadresse der Klägerin, aber nicht die Adresse des Hofgrundstücks in 1 an.

In einem (undatierten) mit der Klage eingereichten Werbeprospekt der Klägerin bewirbt sie ihr Angebot als den „etwas andere[n] Reitstall”. Auf dem „Tinker- und Ponyhof” arbeiteten Sozialpädagogen, Erzieher und Kinderpfleger, die alle eine „reit- und/oder tierpädagogische Zusatzausbildung” hätten. Neben dem Reitunterricht sei der Hof „Treffpunkt und Begegnungsstätte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene”. Im Einzelnen bot die Klägerin gemäß diesem Prospekt Folgendes an:

  • Reitunterricht (von 6-99 Jahren)
  • Geführte Ausritte in kleinen Gruppen
  • Einzelunterricht im Westernreiten
  • Kleinkindergruppen mit moto-pädagogischem Schwerpunkt
  • Ferienkurse für Kinder
  • Kindergeburtstage
  • Reiten für Senioren
  • Physiotherapie auf dem Pferd
  • integratives Reiten
  • heilpädagogisches Reiten
  • „Kleines Hufeisen”, Kurs mit Reittheorie und -praxis

Aus dem Unternehmen erwirtschaftete die Klägerin bisher nur Verluste.

Für die Umsatzsteuer nahm sie zunächst die Kleinunternehmerregelung in Anspruch, in den Jahren 2005 und 2006 versteuerte sie die Umsätze mit dem Normalsteuersatz.

In ihren Umsatzsteuererklärungen 2005 und 2006 bezeichnete sie ihr Unternehmen als Reitbetrieb und in der Umsatzsteuererklärung 2009 als therapeutisches pädagogisches Reiten. In ihren Gewinnermittlungen der Jahre 2001 bis 2004 bezeichnete sie ihre Betriebseinnahmen als Reitstundenerlöse, ab dem Jahr 2005 sind die Betriebseinnahmen als „Umsatzerlöse” und „sonstige betriebliche Einnahmen” aufgeführt.

Aufgrund einer anonymen Anzeige wurde der Betrieb der Klägerin am 24.09.2008 von zwei Beamten der Steuerfahndung aufgesucht, ohne dass sich die Beamten zu erkennen gaben. Sie hielten in einem internen Protokoll fest, dass sich auf dem Gelände des Tinker- und Ponyhofs eine Vielzahl von Pferden bzw. Ponys, Ziegen, Rindern und Hunden befunden hätten. Die Beamten gaben sich als an Reitunterricht für ein Mädchen interessierte Eltern aus, denen von einem Herrn (vermutlich dem Ehemann der Klägerin) erläutert wurde, wie der Reitunterricht verlaufe und zu welchen Konditionen. Hinweise auf eine Betreuung von Kindern finden sich in dem Bericht nicht.

Für das Jahr 2007 reichte sie – trotz Aufforderung – keine Umsatzsteuererklärung ein, weil sie der Auffassung war, sämtliche von ihr erbrachten Leistungen in Höhe von 120.439  stellten gemäß § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreite Heilbehandlungen dar.

Bei der daraufhin im Jahr 2009 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung für das Jahr 2007 stellte die Prüferin fest, dass keinerlei Hinweise auf ärztliche Verordnungen oder Überwachung sowie auf hippotherapeutische Anwendungen vorzufinden gewesen seien. Weder sei ersichtlich, dass besonders ausgebildete Fachkräfte beschäftigt wurden, noch dass derartige Leistungen in Rechnung gestellt wurden. Die Umsätze wurden bis auf eine Ausnahme („Reitkurs 2007”) als „Beitrag Tinker- und Ponyhof” oder „Reiten” gebucht.

Während der Prüfung änderte die Klägerin ihre Argumentation und trug nunmehr vor, sie habe ausschließlich nach § 4 Nr. 23 UStG (Beherbergung / Beköstigung und Naturalleistungen von Einrichtungen zur Erziehung, Ausbildung und Fortbildung von Juge...

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