Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermögensteuer 1990

 

Tenor

Der Ablehnungsbescheid vom 11.05.1994 und die Beschwerdeentscheidung vom 11.05.1995 werden aufgehoben. Das Finanzamt wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das Finanzamt.

Die Revision wird zugelassen.

Beschluß:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger (Kl.) Vermögensteuer (VSt) zu erlassen ist.

Der Kl. ist Kommanditist der Firma … KG. Zum Vermögen der KG gehörte am 01.01.1990 ein Geschäftsgrundstück in …, dessen Einheitswert (EW) zuletzt durch Bescheid vom 10.10.1989 auf den 01.01.1987 mit 1.876.500 DM bestandskräftig festgestellt worden ist. Durch Vertrag vom 12.04.1990 veräußerte die KG das Geschäftsgrundstück einschließlich aller Anlagen und Betriebseinrichtungen für 700.000 DM.

Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens (BV) der KG auf den 01.01.1990 entsprach das Finanzamt (FA) dem Antrag der KG, das Grundstück mit dem von der KG auf 530.000 DM geschätzten tatsächlichen Wert zu berücksichtigen, nur teilweise, indem es den festgestellten EW des Grundstücks ohne den Zuschlag nach § 121 a Bewertungsgesetz (BewG) ansetzte. Der auf den Kl. entfallende Anteil am EW des BV betrug danach laut Bescheid vom 27.04.1994 4.039.092 DM.

In seiner VSt-Erklärung auf den 01.01.1990 gab der Kl. den Wert seiner Beteiligung am BV der KG mit dem festgestellten EW-Anteil an. Gleichzeitig beantragte er den Erlaß von VSt gemäß § 163 Abgabenordnung (AO) für einen Teil des BV-Wertes.

Der beim BV für das Grundstück angesetzte EW liege um 1.346.500 DM über dessen Verkehrswert von 530.000 DM. Sein Anteil an dem überhöhten Wert betrage 979.579 DM. Der deutlich unter dem EW liegende Verkehrswert des Grundstücks sei durch dessen Verkauf in 1990 nachgewiesen. Dieser festgestellten Wertdifferenz müsse durch einen entsprechenden Erlaß Rechnung getragen werden.

Das FA lehnte den Erlaßantrag durch Bescheid vom 11.05.1994 ab, da ein Wertansatz für das Geschäftsgrundstück unter dem EW nicht möglich sei. Die VSt auf den 01.01.1990 setzte das FA abschließend durch Bescheid vom 14.09.1994 auf der Grundlage eines steuerpflichtigen Vermögens von 3.602.000 DM auf 18.010 DM fest. Dabei hatte es den Anteil des Kl. am EW des BV der KG mit dem zuletzt festgestellten Wert von 4.039.092 DM angesetzt.

Mit seiner gegen den Ablehnungsbescheid vom 11.05.1994 eingelegten Beschwerde wiederholte der Kl. seine Ausführungen zu seinem Erlaßantrag. Das FA habe bei der Entscheidung der Streitfrage offensichtlich kein Ermessen ausgeübt, obwohl im konkreten Fall hierzu Anlaß bestanden habe.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde durch Beschwerdeentscheidung (BE) vom 11.05.1995 als unbegründet zurück. Sachliche Billigkeitsgründe seien nicht gegeben. Bei der Bewertung bebauter Grundstücke habe der Gesetzgeber die im BewG geregelte Wertermittlung im Ertrags- oder Sachwertverfahren vorgeschrieben. Eine Wertermittlung für bebaute Grundstücke aus Verkaufspreisen sei danach unzulässig. Durch den Wertansatz ohne den Zuschlag nach § 121 a BewG habe das FA seine Möglichkeiten für eine Billigkeitsentscheidung ausgeschöpft.

Mit der Klage wiederholt der Kl. im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Der volle, für das Grundstück gezahlte Kaufpreis mache nur 37,31 % des EW des Grundstücks aus. Es sei sachlich unbillig, trotz dieser erheblichen Wertdifferenz bei der Vermögensbesteuerung von dem offensichtlich überhöhten EW auszugehen. Das FA habe insoweit den ihm möglichen Ermessensspielraum nicht erkannt.

Der Kl. beantragt,

das FA unter Aufhebung seiner Entscheidung vom 11.05.1994 und der hierzu ergangenen BE vom 11.05.1995 zu verpflichten, VSt-Schulden in Höhe von 4.900 DM zu erlassen,

hilfsweise, das FA zu verpflichten, den Kl. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

hilfsweise, die Revision zuzulassen,

die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der BE.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der vorliegenden Akten und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat in der Streitsache mündlich verhandelt; auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29.04.1997 wird hingewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im wesentlichen begründet.

Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, … wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung nach § 163 AO ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO 1977), die gemäß § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 121 FGO grundsätzlich nur einer eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.

Im Rahmen dieser nach § 102 FGO vorzunehmenden eingeschränkten Nachprü...

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