Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO, Ermittlungen der Steuerfahndung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt, wenn für den Steuerpflichtigen aufgrund des Beschlagnahmeprotokolls der Steuerfahndung hinreichend klar zu erkennen ist, dass und in welchem konkreten Besteuerungsverfahren die Steuerfahndung gegen ihn ermittelt.

 

Normenkette

AO § 171 Abs. 5 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.05.2020; Aktenzeichen X R 26/19)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einkommensteuer-Bescheid 2001 der Klägerin rechtswidrig ist, weil er nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erging.

Die Klägerin betrieb im Streitjahr in S ein gewerbliches Einzelunternehmen. Es befasste sich mit allgemeiner Wirtschaftsberatung und Verkehrsplanung und war als Bauträger tätig. Das zunächst zuständige Finanzamt S hatte den Einkommensteuer-Bescheid 2001 unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt. Im Anschluss an das Ergebnis einer Prüfung durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes U (Prüfbericht vom 16.11.2009) erließ das Finanzamt S mit Datum vom 28.01.2010 unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO einen Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von X DM erfasst wurde. In diesem Zusammenhang blieben als Betriebsausgaben erklärte Provisionszahlungen im Rahmen der Gewinnermittlung des Einzelunternehmens unberücksichtigt.

Gegen den Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2001 erhob die Klägerin durch Schreiben vom 05.02.2010 Einspruch, der gleichlautend auch gegen den entsprechenden Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid 2001 eingelegt wurde. Im Verfahren gegen den Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid, insoweit blieb das Finanzamt S zuständig, legten die Beteiligten den Rechtsstreit vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (Aktenzeichen 14 K 360/11) in der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2013 gütlich bei. Der Vertreter des beklagten Finanzamtes erklärte sich bereit, Provisionszahlungen in Höhe von X DM als betrieblich veranlasst anzuerkennen und einen entsprechend geänderten Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid 2001 zu erlassen.

In der Einspruchsentscheidung betreffend Einkommensteuer 2001 vom 27.11.2013 änderte der Beklagte den streitbefangenen Bescheid und erfasste den Gewinn aus Gewerbebetrieb entsprechend der Einigung im Verfahren zum Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid.

Mit Schreiben vom 02.01.2014 erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung Klage. Zur Begründung trägt sie vor, der im Anschluss an die Fahndungsprüfung ergangene Einkommensteuer-Änderungsbescheid sei wegen eingetretener Festsetzungsverjährung zumindest rechtswidrig. Die vierjährige Regelverjährungsfrist ende bei Abgabe der Steuererklärung im Jahr 2002 mit Ablauf des 31.12.2006. Der Ablauf der Frist sei weder nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO noch nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO gehemmt gewesen.

§ 171 Abs 5 Satz 1 AO führe zur Verjährungshemmung, wenn die Steuerfahndung mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen beginne, und zwar bei dem Steuerpflichtigen. Das bedeute, die Ermittlungen müssten sich ersichtlich gegen den Steuerpflichtigen richten und der Steuerpflichtige müsse klar und eindeutig erkennen können, in welchen konkreten Steuerangelegenheiten ermittelt werde.

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO trete ein, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Steuer- oder Bußgeldverfahrens förmlich i.S. des § 122 Abs. 1 AO bekannt gegeben worden sei.

§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO

Der Verdacht gegen die Klägerin sei nach den Angaben des Beklagten (Schriftsatz v. 12.03.2015) am 03.05.2006 im Verlauf der Durchsuchung der Geschäftsräume der Fa. B aufgekommen. Die förmliche Einleitung des Strafverfahrens trage als Datum den 04.05.2006. Der Einleitung seien ausweislich der Akten tatsächliche Ermittlungen gegen die Klägerin gefolgt. Das werde von der Klägerin nicht bestritten. Darüber sei die Klägerin durch die Schreiben der Bußgeld- und Strafsachenstelle vom 16.05.2006 und vom 05.09.2006 informiert worden. Es seien also tatsächlich Ermittlungen gegen die Klägerin durchgeführt worden und sie habe von den Ermittlungen im Grundsatz Kenntnis erlangt. Ihr sei aber keine genaue Kenntnis darüber vermittelt worden, weshalb die Ermittlungen erfolgten.

Das Ziel des Gesetzgebers sei es, dass der Steuerpflichtige vor Eintritt der Ablaufhemmung Kenntnis erhalte, weshalb die Ermittlungen durchgeführt würden. Er müsse nicht nur erkennen können, dass gegen ihn ermittelt werde, sondern er müsse auch erkennen können, welcher Lebenssachverhalt Gegenstand einer Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sei, weshalb also gegen ihn ermittelt werde. Nur so könne er auch Kenntnis von dem Eintritt der Ablaufhemmung erlangen. Die Klägerin habe durch die genannten Schreiben vom 16.05.2006 und vom 05.09.2006 keine Kenntnis darüber erhalten, weshalb gegen sie ermittelt wurde. Das sei auch nicht aus dem Nachweis über die im Gefolge der Durchsuchung der Ge...

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