Entscheidungsstichwort (Thema)

Realisierung von KSt-Guthaben im "Leg-ein-Hol-zurück-Verfahren"

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Bei der Gewährung von im Vergleich zur Beteiligung inkongruenten Vorzugsdividenden unter Anwendung des Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens zum Zwecke der Mobilisierung von Körperschaftsteuerminderungspotential handelt es sich um ordentliche Gewinnausschüttungen, die grundsätzlich dem Kapitalertragsteuerabzug i.S.d. §§ 43 ff. EStG unterliegen.

2.) Der einmal verwirklichte Tatbestand der Steuererhebung ist in entsprechender Anwendung von § 38 AO grundsätzlich unabänderlich und kann nur in den gesetzlichen vorgesehenen Erstattungsfällen rückgängig gemacht werden.

3.) Eine nach Vornahme einer ordentlicher Gewinnausschüttungen seitens der Finanzverwaltung u.a. im Wege einer "tatsächlichen Verständigung" mit den ausschüttenden Kapitalgesellschaften ohne gesetzliche Grundlage veranlasste Rückzahlung der abgeführten Kapitalertragsteuer führt damit nicht dazu, dass die ursprünglich zu Recht erhobene Kapitalertragsteuer infolge einer Erstattung als nicht mehr "erhoben" i.S.v. § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 EStG anzusehen ist.

4.) Gemäß § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 1 EStG ist die "erhobene" Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer auch dann anzurechnen, wenn die Steuer ohne gesetzliche Grundlage wieder erstattet worden ist. Eine rein wirtschaftliche Saldobetrachtung ist nicht vorzunehmen.

5.) § 44b Abs. 5 EStG sieht eine Erstattung von Kapitalertragsteuer nur für den Fall vor, dass eine Verpflichtung zum Steuerabzug objektiv nicht bestanden hat, nicht jedoch für solche Fälle, in denen ein am Steuerabzugsverfahren Beteiligter fälschlicherweise von einer nicht bestehenden Abzugsverpflichtung ausgegangen ist.

6.) Eine Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO kommt nur bei objektivem Wegfall des für den Einbehalt ursprünglich bestehenden Rechtsgrundes in Betracht, nicht jedoch in Fällen, in denen die am Steuerabzugsverfahren Beteiligten den Wegfall einer entstandenen Abzugsverpflichtung lediglich vereinbaren.

7.) Die auf der Grundlage einer ordentlichen Gewinnausschüttung rechtmäßig ausgestellte Steuerbescheinigung i.S.v. § 45a Abs. 2 EStG kann nicht gemäß § 45a Abs. 6 S. 1 EStG zurückgefordert oder durch eine berichtigte Bescheinigung ersetzt werden.

 

Normenkette

EStG § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1, § 44b Abs. 5, § 45a Abs. 2, 6 S. 1; AO § 37 Abs. 2, § 38; KStG § 31

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.10.2010; Aktenzeichen I R 54/09)

BFH (Urteil vom 20.10.2010; Aktenzeichen I R 54/09)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Abrechnungsbescheiden i.S. des § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zur Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums 2000, insbesondere die Frage, ob und in welchem Umfang Kapitalertragsteuer und darauf entfallender Solidaritätszuschlag auf die festgesetzte Körperschaftsteuer anzurechnen sind (vgl. § 49 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz – KStG – und § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz – EStG – jeweils in der Fassung des Streitjahres).

Die Klägerin (Kl.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG), die mit notariellem Vertrag vom 04.08.2000 in der Rechtsform der GmbH gegründet und mit notariellem beurkundetem Umwandlungsbeschluss vom 21.12.2000 mit steuerlicher Wirkung zum 30.12.2000 in die heutige Rechtsform umgewandelt worden ist. Sie hatte ihren Sitz im Streitjahr in Nordrhein-Westfalen. Persönlich haftende Gesellschafterin war im Streitjahr die … Vermögensverwaltungs GmbH. Kommanditistin war die B GmbH & Co. KG, an welcher – als Kommanditisten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie als Gesellschafter der Komplementär-GmbH (D. Verwaltungsgesellschaft mbH), mit je 50 v.H. der Anteile – die Herren B und S beteiligt waren. Letztere fungierten zugleich als Geschäftsführer. Die Gesellschafter B und S waren auf diese Art und Weise mittelbar an sieben Schwestergesellschaften der Kl. beteiligt, die ebenfalls in der Rechtsform der GmbH gegründet und mit steuerlicher Wirkung zum 30.12.2000 in GmbH & Co. KG umgewandelt worden sind.

Der Unternehmensgegenstand der Kl. und ihrer Schwestergesellschaften bestand im Erwerb und im Halten von neu ausgegebenen Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften (Zielgesellschaften bzw. Beteiligungsgesellschaften), die über hohe Rücklagen aus versteuerten und thesaurierten Gewinnen verfügten. Hintergrund dieser Beteiligungen war die Durchführung eines sog Rücklagenmanagements in Gestalt des „Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens”. Dieses Verfahren diente der Realisierung bzw. der Vermeidung eines Verlustes von in der Vergangenheit bei den Zielgesellschaften angesammelten Körperschaftsteuerguthaben im Zusammenhang mit dem Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungs – zum Halbeinkünfteverfahren. Dabei führten die Kl. und ihre Schwestergesellschaften den Zielgesellschaften im Rahmen des Erwerbs von Vorzugsanteilen zunächst Kapital zu, welches bei den Zielgesellschaften steuerlich in das Eigenkapitalkonto (EK) 04, ab dem 31...

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