Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung, Weiterleitungsfälle, Durchführung der Erstattung, Kenntnis, Erkennenmüssen, Beweislast

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Hat eine Kapitalgesellschaft die aufgrund einer Ausschüttung abgeführte Kapitalertragsteuer vom Finanzamt zurückerhalten und sodann bei wirtschaftlicher Betrachtung an den Empfänger der Gewinnausschüttung weitergeleitet, kann der Empfänger keine Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer verlangen, wenn er die an ihn gelangte Zahlung als Auskehrung der Kapitalertragsteuer erkannt hat oder erkennen musste (Anschluss an BFH, Urt. v. 20.10.2010 - I R 54/09, BFH/NV 2011, 641).

2) Als Zeitpunkt, zu welchem eine Kenntnis oder ein Erkennenmüssen von der Auskehrung der Kapitalertragsteuer spätestens vorgelegen haben muss, um den Anrechnungsanspruch entfallen zu lassen, ist in Anlehnung an § 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken auf einen Zeitraum von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses über das Kalenderquartal abzustellen.

3) Zweifel hinsichtlich der Weiterleitung und/oder der Erkennbarkeit gegen zu Lasten der Finanzverwaltung.

 

Normenkette

EStG § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.07.2015; Aktenzeichen VII R 49/13)

BFH (Urteil vom 07.07.2015; Aktenzeichen VII R 49/13)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtsgang über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides im Sinne des § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zur Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums 2000. Insbesondere ist streitig, ob und in welchem Umfang Kapitalertragsteuer und darauf entfallender Solidaritätszuschlag auf die festgesetzte Körperschaftsteuer anzurechnen sind.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, welche mit notariellem Vertrag vom 04.08.2000 in der Rechtsform der GmbH gegründet und durch Umwandlungsbeschluss vom 21.12.2000 mit steuerlicher Wirkung zum 30.12.2000 in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden ist.

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin bestand im Streitjahr 2000 im Erwerb und im Halten von neu ausgegebenen Anteilen an Kapitalgesellschaften (sog. Zielgesellschaften), die über hohe Rücklagen aus versteuerten und thesaurierten Gewinnen verfügten. Hintergrund dieser Beteiligungen war die Durchführung eines sog. Rücklagenmanagements in Gestalt eines „Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens”. Dieses Verfahren diente der Realisierung bzw. der Vermeidung eines Verlustes von in der Vergangenheit bei den Zielgesellschaften angesammelten Körperschaftsguthaben im Zusammenhang mit dem Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren. Dabei führten die Kläger und ihre Schwestergesellschaften den Zielgesellschaften im Rahmen des Erwerbs von Vorzugsanteilen zunächst Kapital zu, welches bei den Zielgesellschaften steuerlich in das Eigenkapitalkonto (EK) 04, ab dem 31.12.2001 in das sog. Einlagenkonto (§ 27 KStG), einzustellen war. Eine solche Kapitalzuführung in den Zielgesellschaften war notwendig, damit diese noch während der Geltung des Körperschaftsteueranrechnungsverfahrens im Jahre 2000 Gewinnausschüttungen an die Kläger durchführen konnten. Die mit dem Erwerb der Vorzugsanteile verbundenen Vorzugsgewinnausschüttungen wurden aufgrund der gesetzlich festgelegten Verwendungsfiktionen steuerlich mit dem EK 45 bzw. dem EK 40 verrechnet (§§ 28, 30 KStG) und auf diese Weise ruhendes Körperschaftsteuerguthaben bei den Zielgesellschaften mobilisiert. Wegen der Einzelheiten des von der Klägerin verfolgten Konzept wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 28.06.2006 (I R 97/05, BFHE 2014, 276) verwiesen. Dort hat der BFH die Mobilisierung von Körperschaftsteuerguthaben im Wege eines sog. Rücklagenmanagements als nicht rechtsmissbräuchlich angesehen.

Im Oktober bzw. November 2000 erwarb die Klägerin Geschäftsanteile an 25 unbeschränkt körperschaftspflichtigen Kapitalgesellschaften, die jeweils über Rücklagen aus versteuerten und thesaurierten Gewinnen verfügten, welche nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1999 ungemildert der Körperschaftsteuer unterlegen hatten (Zielgesellschaften). Finanziert wurden die Beteiligungsankäufe durch ein Darlehen seitens der Beigeladenen. So erteilte die Beigeladene der Klägerin und deren Schwestergesellschaften am 14.08.2000 eine Kreditzusage über eine Milliarde DM, welche später auf drei Milliarden DM aufgestockt wurde. Die Rückführung des Darlehens sollte durch Gewinnausschüttungen der Zielgesellschaften und Steuererstattungen erfolgen, wobei die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften in der Kreditzusage angewiesen wurden, dass Gewinnausschüttungen der Zielgesellschaften ausschließlich über die Konten bei der Beigeladenen, Filiale …, erfolgen durften. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Kreditzusage vom 30.08.2000 Bezug genommen. Im Dezember 2000 entrichteten die Zielgesellschaften – nach vorheriger Fassung entsprechender Gewinnverteilungsbeschlüsse – an die Klägerin Vorzugsdividenden in Höhe von insgesamt 738.286.233,08 DM (1.002.765.653,61 DM Brutto-Dividende abzüglich 250.69...

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