Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung durch Auszahlung eines Darlehens, mit dessen Rückzahlung nicht gerechnet werden kann

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Vermögensvorteil des Gesellschafters kann vorliegen, wenn bereits bei Darlehensauszahlung aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Gesellschafters (hier: Eröffnung des Insolvenzverfahrens; hohe Verbindlichkeiten und geringe laufende Einkünfte; Fehlen von Sicherheiten; keine nennenswerten Tilgungsleistungen und Zinszahlungen) mit einer Rückzahlung des Darlehens nicht gerechnet werden kann. In diesem Fall steht der Darlehensgewährung von vornherein kein Gegenwert gegenüber und kann davon ausgegangen werden, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nicht begründet werden sollte.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 32d Abs. 2 Nr. 3, § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über verdeckte Gewinnausschüttungen – vGA – bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Streitjahr 2012.

Die Klägerin ist geschieden. Im Streitjahr erzielte sie gewerbliche Einkünfte und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Klägerin ist als Einzelunternehmerin tätig. In früheren Jahren führte sie das Einzelunternehmen G. Aus diesem Gewerbebetrieb resultierten Verluste. Später ging sie einer ähnlichen Tätigkeit nach als alleinige Geschäftsführerin der mit Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.2011 gegründeten und im Handelsregister des Amtsgerichts M-Stadt unter HRB … eingetragenen H-UG (haftungsbeschränkt) (im Folgenden: „H-UG”). Gesellschafter der letztgenannten Gesellschaft waren je hälftig die Klägerin und ein Herr B. N..

Darüber hinaus war die Klägerin als Einzelunternehmerin mit einem Gewerbe als Vermögens- und Finanzberaterin tätig. Auch aus dieser Tätigkeit resultierten in früheren Jahren Verluste aufgrund von sog. Stornohaftungen aus der Vermittlung von Versicherungsverträgen. Mit Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.2010 gründete die Klägerin die im Handelsregister des Amtsgerichts M-Stadt unter HRB yyy eingetragene L-UG (haftungsbeschränkt) (im Folgenden: „UG”). Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der UG war die Klägerin. … Ihr Einzelunternehmen der Vermögens- und Finanzberatung betrieb die Klägerin weiterhin, und zwar auch im Streitjahr.

Am xx.12.2010 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Ausweislich eines Insolvenzgutachtens des Herrn Rechtsanwalt T. vom xx.12.2010 bestanden für die Klägerin bei Insolvenzeröffnung ungedeckte Verbindlichkeiten i.H.v. 436.150,30 € bei einer frei erzielbaren Masse von 1.004,- €.

Am 15.12.2010 schloss die Klägerin als Darlehensnehmerin (genannt: „Geschäftsführerin”) mit der UG als Darlehensgeberin einen Darlehensvertrag u.a. mit folgendem Inhalt:

„§ 1 Darlehenshöhe/Zinsen

Die UG gewährt der Geschäftsführerin ein variables Darlehen, welches jederzeit in diversen Beträgen abgerufen werden kann, und das mit 4,00 % p.a. zu verzinsen ist. Die Zinsen werden aufgrund der durch den Steuerberater erstellten Buchhaltung (Darlehenskonto der Geschäftsführerin) berechnet und sind ab 1.2.2017 in im Januar 2017 festzulegenden Raten zur Zahlung fällig.

§ 2 Rückzahlung

(1) Das Darlehen wird ebenfalls ab 1.2.2017 mit den im Januar 2017 zu vereinbarenden Raten zurückgezahlt.

(2) Die UG darf die Rückzahlungsraten sowie die jeweils fälligen Zinsen mit den jeweiligen Vergütungsansprüchen der Geschäftsführerin verrechnen.

§ 3 Abtretung und Verpfändung

Die Abtretung und Verpfändung der Vergütung der Geschäftsführerin ist ausgeschlossen.

§ 4 Beendigung des Anstellungsverhältnisses

Endet das Anstellungsverhältnis der Geschäftsführerin mit der UG, so wird der noch ausstehende Restbetrag des Darlehens sofort fällig.

§ 5 Sicherheiten

Auf die Stellung von Sicherheiten wird verzichtet.

§ 6 Sicherungsabtretung

Für den Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses tritt die Geschäftsführerin den jeweils pfändbaren Teil zukünftiger Vergütungsansprüche an die UG ab. […]”

Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 15.12.2010 verwiesen.

Bis zum Ende des Jahres 2011 zahlte die UG an die Klägerin einen Darlehensbetrag von 42.042,52 € aus, im Streitjahr 2012 weitere 15.248 € (Summe: 57.290,52 €). Im Jahr 2013 zahlte sie einen Darlehensbetrag von 44.689 € aus, im Jahr 2014 weitere 47.048 € (Summe: 149.027,52 €). Auch in den Jahren 2015 bis 2018 erhielt die Klägerin von der UG Darlehensauszahlungen. Ab 2015 kam es zu teilweisen Rückzahlungen. Nach der Buchführung der UG valutierte das Darlehen zum 31.12.2015 mit 157.065,01 €, zum 31.12.2016 mit 118.525,65 €, zum 31.12.2017 mit 61.390,62 € und zum 31.12.2018 mit 82.261,72 €. Dabei erhöhten – zumindest ab dem Jahr 2015 – ausweislich der Buchführung der UG die jeweils entstanden Zinsen den Darlehensbetrag. Die Zinsen wurden bis Ende 2015 in Höhe von 4,0 % und ab Anfang 2016 in Höhe von 2,9 % berechnet.

Ausweislich eines vom Insolvenzverwalter erstellten Schlussverzeichnisses nach § 188 der Insolvenzordnung – InsO – vom xx.xx.2013 bestanden Verbindlichkeiten der Klägerin i.H.v. 45...

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