Entscheidungsstichwort (Thema)

Finanzrechtsweg, Buchführungsmängel, Hinzuschätzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Bei der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheides kann das Finanzgericht die Sicherheitsleistung für den Folgebescheid ausschließen.

2) Ein Ausschluss der Sicherheitsleistung kommt nur in Betracht, soweit der gegen den Grundlagenbescheid gerichtete Rechtsbehelf mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird.

3) Eine Hinzuschätzung ist unschlüssig, wenn sie sich zwar an den Rohgewinnaufschlagsätzen der amtlichen Richtsatzsammlungen orientiert, jedoch zu Reingewinnen führt, die deutlich über den Reingewinnen liegen, die sich unter Anwendung des obersten Wertes des Reingewinn-Prozentsatzes in den amtlichen Richtsatzsammlungen ergeben.

4) Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist dann entsprechend auszuschließen.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3; AO § § 140 ff, § 162; FGO § 69 Abs. 2 S. 6 Hs 2

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aussetzung der Vollziehung (AdV) von Gewerbesteuermessbescheiden mit der Maßgabe zu erfolgen hat, dass die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuerbescheide ohne Sicherheitsleistung zu erfolgen hat.

Die Antragstellerin, eine GmbH, eröffnete zum 1. Mai 2010 das Restaurant „A” in B. Alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer ist C (C).

Die Antragstellerin ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG 2009).

Ausgehend von der am 31.8.2011 bei dem Antragsgegner eingereichten Gewerbesteuererklärung verfügte der Antragsgegner im Oktober 2011 einen Gewerbesteuermessbescheid 2010, in dem er den Gewerbesteuermessbetrag –ausgehend von einem Gewerbeertrag von 6.200 €– auf 217 € festsetzte. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Am 4.11.2011 leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B gemäß § 397 der Abgabenordnung (AO) ein Strafverfahren gegen C ein, weil der Verdacht bestand, dieser habe Steuern in noch zu ermittelnder Höhe verkürzt. Der Beschuldigte stand in dem Verdacht, Einnahmen nicht sämtlich erfasst und versteuert zu haben sowie Arbeitslöhne an Mitarbeiter schwarz ausgezahlt und so Lohnsteuern in nicht zutreffender Höhe an das Finanzamt gezahlt zu haben.

Im Rahmen dieses Verfahrens fand am 3.2.2012 in den Räumlichkeiten der Antragstellerin eine Durchsuchung statt. Hierbei wurden mehrere Beweismittel sichergestellt und der im Büro befindliche Tresor, der nicht geöffnet werden konnte, versiegelt.

Ebenfalls am 3.2.2012 ordnete der Antragsgegner bei der Antragstellerin die Durchführung einer Außenprüfung an, die sich insbesondere auf die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 2010 erstrecken sollte, aber auch die Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume Januar bis November 2011 und die Lohnsteuer April bis November 2011 zum Inhalt hatte. Die Prüfung begann nach dem Vermerk in der Prüferhandakte noch am 3.2.2012. Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume Dezember 2011 bis Februar 2012 erweiterte der Antragsgegner die Prüfung am 3.5.2012.

Die Steuerfahndung stellte fest, dass im Restaurant eine Registrierkasse der Firma Z, Typ …, eingesetzt worden sei. Die Umsätze im Restaurant seien im Wesentlichen in Form von Barumsätzen getätigt worden, so dass die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung und die Vollständigkeit und Richtigkeit der Betriebseinnahmen Prüfungsschwerpunkt gewesen seien. Anhand ihrer Prüfung gelangte die Steuerfahndung zu dem Ergebnis, die Buchführung und die Aufzeichnungen der Antragstellerin entsprächen nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO und könnten der Besteuerung daher nicht zugrunde gelegt werden. Die festgestellten Mängel seien nicht nur formeller Natur, sondern wesentlich und von sachlichem Gewicht.

Zunächst einmal monierte die Steuerfahndung, dass ein Ausdruck der ursprünglichen Programmierung im Rahmen der Durchsuchung bei der Antragstellerin nicht habe sichergestellt werden können. Auch Ausdrucke der Programmierung nach Änderung der Artikelpreise hätten nicht gefunden werden können.

Auf den Finanzberichten (Tagesendsummenbons) finde sich zwar das jeweilige Datum, nicht aber die Uhrzeit des Ausdrucks. Darüber hinaus würden allein die Barzahlungen, nicht aber die Zahlungswege Scheck und Kreditkarte ausgewiesen, die beide auch im Lokal genutzt würden. In den Finanzberichten fänden Nachstornos wie auch Entnahmen keine Erwähnung. Sämtlichen Finanzberichten könne entnommen werden, dass der Speicher gelöscht worden sei. Nachträglich könnten die Umsätze aus dem Prüfungszeitraum nicht mehr sichtbar gemacht werden.

Im Rahmen der Durchsuchung seien bei der Antragstellerin Bedienerberichte im Papierkorb gefunden worden, auf denen Posten- und Nachstornos ausgewiesen seien. Für den Prüfungszeitraum hätten solche Belege nicht mehr sichergestellt werden können; ein Mitarbeiter habe erklärt, diese Berichte seien vernichtet wor...

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