Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsbewertung eines ideellen Anteils an einem Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer bei Nachweis des gemeinen Werts des Gesamtgrundstücks durch ein Sachverständigengutachten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Muss aufgrund der Zuwendung eines Miteigentumsanteils an einem – nicht in Wohnungs- oder Teileigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilten – Grundstück der anteilige Grundbesitzwert für Zwecke der Schenkungsteuer festgestellt werden, so muss zur Berechnung des Grundbesitzwerts des zugewendeten ideellen Bruchteils das ganze Grundstück bewertet und der dabei ermittelte Gesamtwert nach den Eigentumsquoten/Miteigentumsanteilen aufgeteilt werden.

2. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige den niedrigeren gemeinen Wert des gesamten Grundstücks durch ein speziell hierfür angefertigtes Gutachten i. S. d. § 198 BewG 2009 nachgewiesen hat und wenn der zugewendete Miteigentumsanteil unter 50 % liegt; weder § 9 Abs. 2 BewG noch die §§ 74a, 85a ZVG rechtfertigen einen zusätzlichen Bewertungsabschlag.

3. Die zu früheren Fassungen des BewG ergangene BFH-Rspr., wonach eine zusätzliche Berücksichtigung der mit einem Bruchteilseigentum verbundenen Besonderheiten wegen der Vorgabe des § 9 Abs. 2 S. 3 BewG, der eine Berücksichtigung von ungewöhnlichen Verhältnissen ausschließt, nicht zulässig ist, ist auch für das BewG in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 weiter anzuwenden.

 

Normenkette

BewG 2009 § 198 S. 1, § 157 Abs. 3 S. 1, §§ 3, 9 Abs. 2 S. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 18.01.2016; Aktenzeichen II B 29/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des für Zwecke der Schenkungsteuer gesondert festgestellten Grundbesitzwertes.

Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. Juli 2009 (URNr. …) 5/12 der Anteile an dem Grundstück mit der Flurstücknummer (FlNr.) … der Gemarkung …, das im Grundbuch des Amtsgerichts … eingetragen ist. Auf dem Grundstück befanden sich ein Hauptgebäude, das in zwei Wohnungen aufgeteilt war, und eine Garage. Eine Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz fand nicht statt. Als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Eigentümerin – … –, ihr ein lebenslanges Wohnrecht zu gewähren und darüber hinaus eine – ebenfalls lebenslängliche – monatliche Zahlung von 200 EUR an sie zu erbringen.

Mit Bescheid vom 16. März 2011 stellte der Beklagte, der zuvor vom Finanzamt … aufgefordert worden war, eine Feststellung von Grundbesitzwerten für Zwecke der Schenkungsteuer durchzuführen, den Grundbesitzwert mit 184.216 EUR zum Stichtag 23. April 2009 fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 8. April 2011 Einspruch mit der Begründung ein, dass zum einen die Bewertung falsch sei und zum anderen keine Schenkung, sondern ein Kaufvertrag vorliege. Anschließend reichte der Kläger ein Verkehrswertgutachten ein, in dem der Wert der gesamten Immobilie auf 275.000 EUR und der rechnerische Anteil des Klägers (5/12) auf 114.583 EUR bestimmt wird. Ausgehend von dem Gutachten sowie dem Schreiben des Klägers vom 7. April 2012 setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 10. Mai 2012 den Grundbesitzwert unter Korrektur des Stichtags auf den 23. Juli 2009 auf 114.583 EUR herab. Dagegen reichte der Kläger mit Schreiben vom 20. Mai 2012 erneut Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. November 2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 erhobene, am darauffolgenden Tag beim Gericht eingegangene, Klage, die der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig, weil er nicht den Vorgaben des Bewertungsgesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung (BewG) entspreche. Die Wertermittlung sei fehlerhaft, weil sie sich gemäß § 3 Satz 2 BewG allein nach dem Verhältnis der Anteile richte und der Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts des Miteigentumsanteils nicht vorgenommen werde, obwohl dieser unter 50% liege und damit nicht marktfähig sei. Die damit für den Kläger verbundenen Risiken rechtfertigen in Anlehnung an die Regelungen des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) die Bewertung des Miteigentumsanteils mit maximal 57.000 EUR. Der der Besteuerung zugrunde gelegte Verkehrswert müsse zwingend marktfähig sein oder zumindest den Marktverhältnissen angepasst werden. Dieses Prinzip könne dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. November 2005 (1 BvL 10/02) entnommen werden. Um den Anforderungen des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) zu genügen, müssen die Bewertungsmethoden gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Aus diesem Grund sei auch die vor dem Urteil des BVerfG ergangene Rechtsprechung überholt. Darüber hinaus liege überha...

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