Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsbewertung eines gemischt genutzten Grundstücks für Zwecke der Schenkungsteuer. Ertrags- oder Sachwertverfahren. Abweichen der tatsächlichen Miete von der üblichen Miete um mehr als 20 %

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Weicht die tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als 20 % nach oben von der üblichen Miete ab, liegt es im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen, die Abweichung nachzuweisen, ihn trifft also in diesem Fall die Nachweislast.

2. Für die Überprüfung der Ortsüblichkeit von tatsächlich erzielten Mieten anhand des Mietspiegels ist auf den jeweils unteren Wert oder den jeweils oberen Wert der Spanne abzustellen, das heißt eine Miete, die mehr als 20 % niedriger ist als der untere Wert der Spanne bzw. die mehr als 20 % höher ist als der obere Wert der Spanne, ist nicht mehr ortsüblich.

3. Befinden sich auf einem Grundstück mehrere selbständige Gebäude oder Gebäudeteile und lässt sich für mindestens eines dieser Gebäude oder Gebäudeteile keine übliche Miete ermitteln, erfolgt die Wertermittlung für die gesamte wirtschaftliche Einheit einheitlich nach dem Sachwertverfahren.

4. Für die Anwendbarkeit des Ertragswertverfahrens fordert § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG lediglich, dass sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass eine übliche Miete bereits ermittelt worden ist.

 

Normenkette

ErbStG § 12 Abs. 3; BewG § 182 Abs. 3 Nrn. 1-2, § 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) zu Recht das streitgegenständliche Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer nicht im Sachwert-, sondern im Ertragswertverfahren bewertet hat.

Die Klägerin, die die Schenkungsteuer zu tragen hat, schenkte am 30. Dezember 2013 einen Anteil von 525/10.000 des bebauten Grundstücks in X-Stadt an A. Das Grundstück ist mit Vorder-, Seiten-, und Rückgebäude (HG III) bebaut, die gesamte Wohn- und Nutzfläche der Gebäude beträgt ca. 2.407,52 qm. Vorder- und Seitengebäude sind im Jahr 1954, das Rückgebäude ist im Jahr 1966 errichtet worden. Das gemischt genutzte Grundstück (Wohnungen, Büros, Läden und Hotel) diente am Stichtag zu mehr als 50 % und zu nicht mehr als 80 % betrieblichen Zwecken.

Für die acht Wohnungen, von denen eine leer stand, wurden am Stichtag Mieten zwischen 10,20 EUR und 13,77 EUR erzielt. Für zwei der drei Läden wurden Mieten von 14,25 EUR/qm bzw. 16,19 EUR/qm erzielt. Ein Laden und ein Büro waren gemeinsam für 11,19 EUR/qm vermietet.

Für die neun Büros wurden folgende Mieten erzielt: 12,65 EUR, 12,99 EUR, 11,85 EUR, 14,13 EUR, 12,98 EUR, 13,64 EUR, 10,09 EUR, 6,85 EUR, 10,90 EUR. Für das Hotel im Seitengebäude mit 346 qm wurde eine Miete von 3.983,57 EUR pro Monat = 11,51 EUR/qm erzielt. Das Hotelappartement im Vorderhaus 1. OG mit 35 qm war für 14,65 EUR, das Hotelappartement im Vorderhaus 5. OG mit 32 qm war für 15,44 EUR vermietet.

Am Stichtag wurde im Seitengebäude EG, 1. und 2. OG sowie im 1. und 5. Stock des Vordergebäudes von dem Mieter (BM) das Hotel betrieben. Das Hotel garni verfügte über vierzehn Bettenräume im Seitengebäude, eine Rezeption und einen Frühstücksraum mit insgesamt 346 qm sowie zwei Appartements im Vorderhaus, 1. und 5. OG mit 35 qm bzw. 32 qm und ermöglichte die Beherbergung von sechsunddreißig Gästen. Es waren zehn Garagen und zwölf Stellplätze vorhanden.

Nach Aktenlage wurde im streitigen Objekt seit 1968 eine Pension bzw. ein Hotel betreiben. Im Dezember 1987 wurden an den Vormieter des BM, an AM, in dessen Mietvertrag BM eingetreten ist, von den damaligen Eigentümern des Objekts Räume zur Benutzung als Pension vermietet.

So hatte die damalige Grundstückseigentümerin mit Mietvertrag vom 18. Dezember 1987 bereits ab 1. Januar 1988 im 1. und 2. OG des Seitengebäudes Räume mit einer Größe von 173,35 qm und 136,00 qm an AM zur Benutzung als Wohnung und Pension zu einem Mietzins von 4.000 DM vermietet. Mit Garagenmietvertrag vom Dezember 1987 hatte die damalige Eigentümerin auch eine Garage und drei Stellplätze an AM vermietet.

Mit Mietverträgen jeweils vom 29. November 2000 hatte die damalige Grundstückseigentümerin ab 1. Dezember 2000 an Herrn AM die im 1. und 5. Stock im Vorderhaus gelegenen 35 qm bzw. 32 qm großen Appartements, bestehend aus je einem Zimmer mit Kochnische, Bad/WC, Kelleranteil und einer Loggia zum Zwecke der Benutzung als Wohnung vermietet. Der Mietzins betrug 925 DM für das Appartement im 1. Stock und 890 EUR für das Appartement im 2. Stock, jeweils zzgl. Betriebskosten.

Mit „Mietvertrag über Geschäftsräume” vom 14. Mai 2001 mietete AM die im streitigen Objekt im Hof, rechtes Seitengebäude, im 1. und 2. OG gelegenen Gewerberäume zur Benutzung als Pension und Wohnung, sowie Funktions- Flur- und Treppenräume. Mitvermietet wurden die im Vorderhaus, 1. und 5. Stock gelegenen Appartements, bestehend aus je einem Zimmer mit Kochn...

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