Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifermäßigung für Auszahlung eines Versorgungsguthabens aus betrieblicher Altersversorgung (Direktzusage). Grundsatz der Einheitlichkeit einer Entschädigung. teilweise Entgeltumwandlung eines Abfindungsanspruchs. Teilkapitalauszahlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Wege einer Direktzusage Versorgungsleistungen zugesagt, führen diese im Zeitpunkt der Erfüllung des Anspruchs zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, unabhängig davon, ob es sich hierbei um Altersvorsorgeleistungen im engeren Sinne oder um Leistungen zur Absicherung von Zusatzrisiken (Invaliditätsrisiko, Todesfallrisiko) handelt.
2. Eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit liegt bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vor, wenn sie auf einem Arbeitsverhältnis beruht, für mehrere Jahre erbracht wird und aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgt.
3. Eine teilweise Umwandlung eines Entschädigungsanspruchs wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes zugunsten der betrieblichen Altersversorgung stellt keine die Anwendung des § 34 EStG ausschließende Teilauszahlung einer einheitlichen Entschädigung dar.
4. Die Auszahlung nur eines Versorgungsguthabens bei einer aus zwei Versorgungskonten bestehenden betrieblichen Altersversorgung steht der Anwendung der Tarifermäßigung nicht entgegen.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 1, 2 Nrn. 2, 4, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 22. Juni 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2018 wird die Einkommensteuer 2015 unter Berücksichtigung einer tariflichen Ermäßigung gemäß § 34 Abs. 1 EStG für einen Betrag von 144.475,20 EUR hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend herabgesetzt. Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen. Dem Beklagten wird weiter aufgegeben, das Ergebnis dieser Berechnungen den Klägern unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid nach Rechtskraft des Urteils neu bekannt zu geben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Anwendung der Tarifbegünstigung für außerordentliche Einkünfte auf eine Kapitalauszahlung im Zuge der Auflösung eines Versorgungsguthabens aus einer betrieblichen Altersversorgung.
Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Sie erzielten im Streitjahr 2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Renteneinkünfte.
Die Klägerin war bis zum 31. Mai 2013 bei der […] GmbH (Arbeitgeber) beschäftigt. Mit Konzernbetriebsvereinbarung vom Februar 2004, ergänzt am 19. September 2012, hatte die vormalige […] AG für sämtliche dem Konzernverbund angehörenden Gesellschaften im Inland die Einrichtung eines Versorgungswerkes zur Schaffung einer zusätzlichen Altersvorsorge beschlossen „[…] Pensionsplan”). Hierbei handelt es sich um ein beitragsorientiertes System, das aus dem vom Unternehmen finanzierten Basiskonto (Ziffer 4 der […]-Vereinbarung) und dem optionalen durch Entgeltumwandlung finanzierten Aufbaukonto besteht (Ziffer 5 der […]-Vereinbarung). Nach Ziffer 7 der Vereinbarung werden Altersleistungen, Invaliditätsleistungen im Falle unbefristeter Gewährung gesetzlicher Erwerbsminderungsrente sowie Todesfallleistungen und ein sogenanntes Überbrückungsgeld im Falle der befristeten Gewährung einer gesetzlichen Erwerbsminderungsrente als Versorgungsleistungen (Ziffer 7.5.) gewährt. Nach Eintritt des jeweiligen Versorgungsfalles errechnet sich nach Ziffer 6.1.2 der […]-Vereinbarung die Leistung aus den auf dem jeweiligen Versorgungskonto (Aufbaukonto und Basiskonto) gutgeschriebenen Kapitalbausteinen. Der auf die jeweils garantierte Leistung bestehende Rechtsanspruch sollte sich unmittelbar gegen das jeweilige Unternehmen der Konzerngruppe richten (Ziffer 3.2. der […]-Vereinbarung). Die Durchführung des Pensionsplans erfolgt dabei grundsätzlich unmittelbar als Direktzusage des Unternehmens (Ziffer 3.3.), Leistungen aus dem Aufbaukonto (Ziffer 5) sowie Überbrückungsgelder (Ziffer 7.3.4.) werden immer unmittelbar vom Unternehmen erbracht. Nach Ziffer 8.1. wird das Versorgungskonto grundsätzlich als Einmalkapital ausgezahlt, es kann aber auf schriftliches Verlangen des Mitarbeiters auch in Form von bis zu zehn Raten, als lebenslange monatliche Rente oder in einer Kombination ausgezahlt werden. Die gewählte Auszahlungsoption kann dabei für das Basiskonto und das Aufbaukonto unterschiedlich sein. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die ergänzende Konzernbetriebsvereinbarung vom 19. September 2012 verwiesen.
Auch die Klägerin hatte bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen im Wege der Gehaltsumwandlung Einza...