rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung bei Nichtabgabe einer Steuererklärung wegen fehlender Zugriffsmöglichkeit auf die für die Fertigung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen. Anspruch auf Vorbehaltsfestsetzung. Umsatzsteuer 1989 und 1990

 

Leitsatz (amtlich)

Stehen einem Steuerpflichtigen die für die Fertigung der Steuererklärung benötigten Unterlagen aus bestimmten Gründen nicht zur Verfügung, hindert dies das FA nicht daran, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Legt der Steuerpflichtige dar, er werde nach Wegfall der –im einzelnen zu substantiierenden– vorübergehenden Hinderungsgründe eine Steuererklärung abgeben, besteht ein Anspruch auf Beifügung bzw. Beibehaltung des Vorbehalts der Nachprüfung.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 162, 164

 

Tenor

1. Unter Abänderung der Einspruchsentscheidungen vom ….11.1992 wird die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aufgehoben.

2. Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.

3. Die Kosten der Verfahren werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Nachdem die Klägerin (Klin) für die Streitjahre 1989 und 1990 keine Umsatzsteuer(USt)- Erklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Besteuerungsgrundlagen. Dabei legte es die von der Klin eingereichten USt-Voranmeldungen zugrunde und berücksichtigte einen Unsicherheitszuschlag von 10 v.H. zu den angemeldeten Umsätzen. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Die Einsprüche der Klin hatten keinen Erfolg … Gleichzeitig hob das FA für sämtliche Bescheide den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Mit ihren dagegen erhobenen Klagen beantragt die Klin, die Steuern entsprechend den von ihr zwischenzeitlich eingereichten Steuererklärungen herabzusetzen. Dazu führt sie aus, mangels zur Zeit verfügbarer Unterlagen seien die Steuererklärungen auf der Grundlage der beim FA abgegebenen USt-Voranmeldungen für die Jahre 1989 und 1990 gefertigt worden. Die Klin sei durch Mißwirtschaft sowie durch falsche oder unzureichende Beratung von Seiten ihres früheren Steuerberaters in erhebliche existenzbedrohende Zahlungsschwierigkeiten geraten. Aufgrund dieser Schwierigkeiten habe die Klin die Honorare des damaligen Beraters für die Buchführung und dessen sonstige Leistungen nicht mehr zahlen können. Als Folge davon habe der Berater sein Mandat niedergelegt und mache seinen Honoraranspruch gegen die Klin geltend. Gleichzeitig verweigere er die Herausgabe der für eine ordnungsgemäße Erstellung der Jahresabschlüsse erforderlichen Unterlagen, die wiederum Grundlage für die ordnungsgemäße Erstellung der entsprechenden Steuererklärungen seien. Der Klin sei bislang die Begleichung der Beraterverbindlichkeiten nicht möglich gewesen, da das FA die Provisionseinnahmen der Klin gepfändet habe und für eine Befriedigung anderer Gläubiger kein Raum geblieben sei.

Das FA beantragt,

die Klage

abzuweisen.

Im Klageverfahren hat es die Klin darauf hingewiesen, daß es zur „Verprobung” der eingereichten Steuererklärungen die Gewinn- und Verlustrechnung für die Streitjahre benötige. Diese hat die Klin bisher nicht vorgelegt.

Der Senat hat die Klagen i.S. USt 1989 und 1990 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist zum Teil begründet.

Keinen Erfolg haben kann die Klin allerdings mit ihrem Begehren, die Steuern entsprechend den Angaben in ihrer Steuererklärung herabzusetzen. Trotz Abgabe der Steuererklärungen hat sich an der Schätzungsbefugnis des FA nichts geändert.

Gemäß § 162 Abs. l Abgabenordnung (AO 1977) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Zwar trifft dies in der Regel dann nicht zu, wenn der Steuerpflichtige eine Steuererklärung mit der Versicherung abgibt, diese wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen erstellt zu haben. Anders ist es aber dann, wenn die Besteuerungsgrundlagen anhand der vorhandenen Unterlagen nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden können (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 23. März 1993 I B 129/92, BFH/NV 1994, 285). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Denn die Gewinn- und Verlustrechnung, anhand derer die Angaben der Klin in ihren Steuererklärungen hätten überprüft („verprobt”) werden können, hat die Klin nicht vorgelegt. Darüber hinaus hat sie selbst erklärt, sie habe die Erklärungen allein anhand der USt-Voranmeldungen erstellt und damit zum Ausdruck gebracht, daß sie nur geschätzte Beträge angegeben hat. Auch der Umstand, daß die Klin aus den von ihr angeführten Gründen gegenwärtig zur Vorlage der Gewinn- und Verlustrechnung ebenso wie zur Abgabe endgültiger Steuererklärungen nicht in der Lage ist, hat die Schätzungsbefugnis des FA nicht berührt. Wenn die für die Fertigung einer Steuererklärung benötigten Unterlagen aus bestimmten Gründen nicht zur Verfügung stehen, steht dies – wie die tatbestandliche Fassung des § 162 Abs. l und Abs. 2 Satz l und 2 AO 1977 zeigt – der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, der auf schätzweise ermittelten Best...

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