Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung von Wertpapiergeschäften im Veranlagungsjahr 1999

 

Leitsatz (redaktionell)

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Wertpapiergeschäften im Veranlagungsjahr 1999.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tenor

1. Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide vom 14. März 2007 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens i.H.v.

– Einkommensteuer 1999

187.424,67 EUR

– Solidaritätszuschlag 1999

10.441,94 EUR

– Zinsen zur Einkommensteuer 1999

78.453,00 EUR

– Einkommensteuer 2000

93.147,36 EUR

– Solidaritätszuschlag 2000

5.037,19 EUR

– Zinsen zur Einkommensteuer 2000

27.032,05 EUR

gegen Sicherheitsleistung in gleicher Höhe ausgesetzt.

Die Sicherheitsleistung ist bis zum 20. November 2007 zu leisten. Dem Antragsgegner wird gestattet, die Frist angemessen zu verlängern, wenn der Antragsteller nachweist, dass dies zur technischen Abwicklung (z.B. Grundbuchbestellung) erforderlich ist.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller berufen sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, BStBl II 2005, 56), wonach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b Einkommensteuergesetz (EStG) in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Fassung des EStG mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar und nichtig ist, soweit er Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betrifft. Sie meinen, dass dies auch für die Streitjahre (1999 und 2000) gelte.

Nach den Feststellungen einer Außenprüfung hatte der Antragsteller Gewinne aus privaten Wertpapiergeschäften 1999 in Höhe von 871.384 EUR und 2000 in Höhe von 334.248 EUR nicht erklärt. Im Prüfungsbericht vom 09.11.2006 führte der Prüfer aus, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. November 2005 (IX R 49/04, BStBl II 2006, 178) sei die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Fassung ab 1999 verfassungsgemäß und bei Nichterklärung dieser Gewinne der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.

In den angefochtenen Änderungsbescheiden folgte der Antragsgegner (das Finanzamt) den Prüfungsfeststellungen. Das Einspruchsverfahren ruht gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung (AO), da in Bezug auf das BFH-Urteil vom 29. November 2005 ein Verfahren beim BVerfG für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 anhängig ist (Az. 2 BvR 294/06) und die Antragsteller sich darauf stützen. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt am 21. Mai 2007 ab.

Zur Begründung des an das Finanzgericht gerichteten Antrags verweisen die Antragsteller auf das vorgelegte Rechtsgutachten von Prof. Dr. O. vom 10. April 2007. Danach bestünden auch in den Jahren 1999 und 2000 ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Gewinne aus privaten Wertpapiergeschäften:

  • Trotz der entgegenstehenden Entscheidung des BFH sei die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Gewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften für die Jahre 1999 und 2000 noch nicht endgültig geklärt. Gegen das maßgebende Urteil des BFH sei Verfassungsbeschwerde eingelegt.
  • An der Verfassungsmäßigkeit bestünden ernstliche Zweifel, weil das Kontenabrufverfahren, durch das das seitherige Vollzugsdefizit behoben werden sollte, seinerseits verfassungsrechtlich fragwürdig sei; gegen dieses Verfahren sei ebenfalls Verfassungsbeschwerde eingelegt [Anmerkung des Senats: Vgl. nun Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2007 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BFH/NV 2007, Beilage 4, 429].
  • Selbst wenn das zum 1. April 2005 eingeführte Kontenabrufverfahren verfassungsrechtlich unbedenklich wäre, so bestünden doch erhebliche Zweifel, ob es rückwirkend das strukturelle Vollzugsdefizit der Besteuerungszeiträume 1999 und 2000 beheben könne. Wenn überhaupt, kämen dafür nämlich nur theoretisch mögliche Kontrollmöglichkeiten innerhalb des Regelsteuerverfahrens (vierjährige Verjährungsfrist) in Betracht. Abgesehen davon könnten theoretisch mögliche, aber tatsächlich nicht oder nur ausnahmsweise vorgenommene Kontenabrufe nicht die gebotene Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen (= Belastungsgleichheit) bewirken, zumal in der Zwischenzeit Kontenlöschungen leicht möglich und die (wenigen) Kontenabrufe, wie von objektiver Stelle nachgewiesen, zu 90 v.H. mangelhaft gewesen seien.

Ferner berufen sich die Antragsteller auf den Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 05. Juli 2007 (1 V 1282/07, juris).

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

die Vollziehung der angefochtenen Bescheide vom 14.03.2007 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit für die Dauer des Einspruchsverfahrens wie folgt auszusetzen:

– Einkommensteuer 1999

187.424,67 EUR

– Solidaritätszuschlag 1999

10.441,94 EUR

– Zinsen zur Einkommensteuer 1999

78.453,00 EUR

– Einkommensteuer 2000

93.147,36 EUR

– Solidaritätszuschlag 2000

5.037,19 EUR

– Zinsen zur Einkommensteuer 2000

27.032,05 EUR

401.536,21 EUR

Das Finanzamt beantragt,

den Ant...

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