Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung für ein an der Verständigung nicht beteiligtes FA

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung besteht auch dann nicht für ein nicht an der Verständigung beteiligtes FA, wenn sich die Verwaltung aus Gründen der Praktikabilität mit Großunternehmen auf die Übernahme von Steuerschulden Dritter aus einem bestimmten Sachverhaltskomplex einlässt, wenn andernfalls eine Doppelbesteuerung der Einnahmen aus diesem Sachverhaltskomplex nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Normenkette

AO 1977 § 85

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.07.2004; Aktenzeichen X R 24/03)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Besteuerung geldwerter Vorteile, die aufgrund einer Verständigung bereits bei der Besteuerung des Auftraggebers des Klägers pauschal berücksichtigt wurden.

Der Kläger ist selbständiger Versicherungsvertreter. Sein Auftraggeber ist die C. Im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei der C kam es am 18. Dezember 1995 unter Beteiligung von Vertretern der C, des FA E, der ZALSt und des FA für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen D zu einer tatsächlichen Verständigung u.a. über Zuschüsse/Arbeitnehmerrabatte, die in der Zeit bis zum 31. Dezember 1994 von der C auch an selbständige Versicherungsvertreter gewährt worden waren. Unter Tz 2.2 stimmten die Beteiligten u.a. darin überein, dass der Umfang der gewährten Rabatte/Zuschüsse wegen der großen Zahl der Empfänger nur im Schätzungswege zu ermitteln sei, sodass die Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung auch insoweit vorlägen. Vor dem Hintergrund der drohenden Ausweitung der Ermittlungen auf die einzelnen Versicherungsvertreter haben sich die Vertreter der C in 1995 schließlich bereit erklärt, den Steuerausfall bei den selbständigen Versicherungsvertretern auf der Grundlage einer pauschalierenden Schätzung übernehmen zu wollen (Tz 2.3). Unter Tz 2.4 verständigten sich die Beteiligten darauf, die den selbständigen Versicherungsvertretern gewährten geldwerten Vorteile hinsichtlich Zuschüsse zur Krankenversicherung etc. für die Jahre 1990 bis 1994 mit 11.800.000 DM zu bewerten. Ausgehend von der Annahme eines durchschnittlichen Einkommensteuer-Satzes der selbständigen Versicherungsvertreter von 40% schätzten die Beteiligten den Steuerausfall mit 6.880.000 DM. Zum Ausgleich dieses Steuerausfalls sollten die nichtabziehbaren Betriebsausgaben der C für 1995 „bei einem Steuersatz i.H.v. 42% für die Zeit vor dem 31.12.1994” entsprechend erhöht werden (Tz 2.5.1). Unter Tz. 2.5.3 der Verständigungsvereinbarung heißt es weiter: „Durch die vorstehenden Ansätze entfallen Ermittlungen hinsichtlich der selbständigen Vertreter in Bezug auf Incentivereisen, Rabatte, Zuschüsse und sonstige geldwerte Vorteile für die Zeit bis zum 31.12.1994. Nicht berührt hiervon sind die von der C mitgeteilten Werte der Incentivereisen, der Rabatte, der Zuschüsse und sonstigen geldwerten Vorteile, die bereits durch die Vertreter versteuert wurden. Für die Incentivereisen, Rabatte, Zuschüsse und sonstige geldwerten Vorteile, die bereits versteuert wurden, sind – auch unter Berücksichtigung nicht ausgeschöpfter Höchstbeträge bei den Sonderausgaben – entsprechende Abschläge bei der Schätzung der entsprechenden Werte gemacht worden. Ein Erstattungsanspruch bei den einzelnen Versicherungsvertretern aufgrund dieser Verständigung besteht nicht.”

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1995 teilte die C dem Kläger mit, die Finanzbehörden hätten nach einer Verständigung im Ermittlungsverfahren davon Abstand genommen, in großem Umfang Fahndungsmaßnahmen bei den Versicherungsvertretern vor Ort anzustellen. Hinsichtlich der geldwerten Vorteile habe man sich dahin verständigt, dass insoweit Ermittlungen der Fahndungsbehörden bei den selbständigen Versicherungsvertretern für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 entfallen sollten. Dies habe für die Versicherungsvertreter zur Folge, dass nicht versteuerte Einnahmen im Bereich der geldwerten Vorteile – auch hinsichtlich nicht versteuerter Zuschüsse zur Krankenversicherung – bis einschließlich 31. Dezember 1994 nicht mehr Gegenstand der Ermittlungsverfahren seien. Die Vertreter brauchten persönlich insoweit keine Steuern mehr zu zahlen, weil die C diese Steuern für die Versicherungsvertreter übernommen habe. In Zukunft werde die C sicherstellen, dass die geldwerten Vorteile eines Jahres den Außendienstmitarbeitern genau mitgeteilt würden.

C hielt sich an die mit der Finanzverwaltung getroffene Vereinbarung und teilte dem Kläger im März 1996 mit, der Gesamtbeitrag für die Krankenversicherung für 1995 habe 16.906 DM bzw. 1.184 DM betragen. Dieser Beitrag sei um einen Nachlass von 20% im Rahmen des Haustarifs ermäßigt worden. Die C habe zu diesem ermäßigten Beitrag einen Zuschuss von 50% gezahlt. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils habe unter Anwendung des § 8 Absatz 2 EStG zu erfolgen. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1996 erklärte der Vorsteher des F...

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