Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine zeitliche Befristung eines Antrags auf ermäßigte Besteuerung innerhalb der Festsetzungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Ausübung eines Antragsrechts nach § 34 Abs. 3 EStG unterliegt keiner zeitlichen Begrenzung, solange der entsprechende Steuerbescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn über einen Einspruch oder eine Klage gegen den Bescheid insgesamt noch nicht entschieden ist.

2. Eine von Amts wegen vorgenommene Änderung des Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO wegen eines geänderten Grundlagenbescheids eröffnet dem Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf Neuausübung des Wahlrechts nach § 34 Abs. 3 EStG. Denn eine solche Änderung ist nicht möglich, wenn ihre Auswirkungen über den durch § 351 Abs. 1 AO abgesteckten Änderungsrahmen hinausgehen. Dies gilt auch dann, wenn der Grundlagenbescheid eine Verminderung des betreffenden Veräußerungsgewinns zum Gegenstand hat.

 

Normenkette

AO §§ 177, 351 Abs. 1; EStG § 34 Abs. 3; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.04.2023; Aktenzeichen III R 25/22)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Frage, ob ein im Streitjahr 2007 gestellter Antrag auf ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) später zurückgenommen werden kann, um es erneut in einem anderen Jahr (im Streitfall: Veranlagungszeitraum) auszuüben.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Ihre Einkommensteuererklärung 2007 haben sie am 19. Dezember 2008 eingereicht. Der Beklagte erließ am 14. Mai 2009 einen (Erst-)Bescheid über die Einkommensteuer 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AbgabenordnungAO). In der Folgezeit erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO mit Aufrechterhaltung des Vorbehalts sowie später einen Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger seinerzeit Einspruch ein und stellten im Rahmen des seinerzeitigen – hier nicht streitgegenständlichen – Einspruchsverfahrens erstmals einen Antrag auf Berücksichtigung der Begünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG für einen Veräußerungsgewinn des Klägers aus der Beteiligung an der „A KG” (nachfolgend: KG) i.H.v. … € für das Streitjahr 2007. Der Beklagte entsprach dem Einspruchsbegehren mit Bescheid vom 27. März 2014 (Abhilfebescheid) und berücksichtigte die Begünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG.

Aufgrund einer dann folgenden Außenprüfung bei der KG erging durch das Feststellungsfinanzamt ein geänderter Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Hieraus ergab sich für den Kläger ein geringerer als der bisher der Einkommensteuer unterworfene Veräußerungsgewinn.

Der Beklagte erließ daraufhin als Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO am 18. Januar 2016 einen Änderungsbescheid über die Einkommensteuer 2007. Hierin wurden nicht nur ein geminderter Veräußerungsgewinn, sondern auch eine vortragsfähige Spende aus dem Jahr … und geminderte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugrunde gelegt. Die Begünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG war im Bescheid weiterhin enthalten. Die Einkommensteuer wurde entsprechend herabgesetzt.

Die Kläger teilten mit Schreiben vom 28. Januar 2016 (d.h. innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Änderungsbescheid) mit, dass sie den Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG für das Jahr 2007 zurücknehmen würden. Stattdessen stellten sie den Antrag nun für das Jahr 2014, in welchem ein zwischenzeitlich festgestellter höherer Veräußerungsgewinn einer anderen Gesellschaft (B GmbH & Co. KG) entstanden und bei dem die steuerliche Auswirkung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG höher war. Ferner stellten die Kläger am 7. April 2016 hilfsweise einen Antrag auf getrennte Veranlagung.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Rücknahme der Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG für das Jahr 2007 sowie den Antrag auf getrennte Veranlagung durch Bescheid vom 28. Juli 2016 ab. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Ablehnungsbescheid (Blatt – Bl. – 12 der elektronischen Gerichtsakte – eGA) Bezug genommen. Unter dem 18. Mai 2018 erging – aus anderen Gründen – ein erneuter Änderungsbescheid zur Einkommensteuerfestsetzung 2007.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 28. Juli 2016 legten die Kläger den hier streitgegenständlichen Einspruch ein. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 15. April 2020 als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (Bl. 18 ff. eGA) Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit vorliegender Klage. Sie sind der Auffassung, eine Rücknahme des Antrags nach § 34 Abs. 3 EStG sei im Streitfall zulässig. Da die Änderung des Einkommensteuerbescheides aufgrund § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gerade bezüglich der streitigen Einkünfte erfolgt sei, sei auch die Neuausübung des Wahlrechtes nach § 34 Abs. 3 EStG (bezogen auf diese Einkunftsquelle) möglic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge