Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Haftung eines Geschäftsführers bei späterer (hypothetischer) Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

(Hypothetische) Anfechtungen des Insolvenzverwalters nach §§ 129 ff. InsO unterbinden eine Schadenszurechnung, wenn die Ziele des § 69 AO (Sicherungszweck, Effektivitätsgesichtspunkte, Praktikabilitätserwägungen) aufgrund einer für Vormonate bereits durchgeführten Insolvenzanfechtung und späterem Erlass des Haftungsbescheids nicht betroffen sind.

 

Normenkette

AO § 34; InsO §§ 129-130; AO § 69

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.01.2016; Aktenzeichen VII R 3/15)

BFH (Urteil vom 26.01.2016; Aktenzeichen VII R 3/15)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger als Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH für Umsatzsteuerschulden einer GmbH & Co. KG haften, insbesondere ob oder inwieweit eine Haftung wegen späterer tatsächlicher oder hypothetischer Anfechtung von Zahlungen durch den Insolvenzverwalter der Steuerschuldnerin ausscheidet.

Die Kläger waren im Jahre 2011 jeweils Geschäftsführer der G Verwaltungs-GmbH – nachfolgend GmbH – mit Sitz in K. Die GmbH war im Jahre 2011 Komplementärin und Geschäftsführerin der mittlerweile nach Insolvenz aufgelösten G … GmbH & Co. KG – nachfolgend Steuerschuldnerin – mit Sitz in K, deren Unternehmensgegenstand der … sowie die … war.

Für den Voranmeldungszeitraum Juli 2011 war die Steuerschuldnerin aufgrund einer Dauerfristverlängerung gem. § 18 Abs. 1, 6 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung – USt-VA – bis zum 10. September 2011 verpflichtet. Mit fristgerecht eingegangener USt-VA Juli 2011 meldete sie eine zwischen den Beteiligten unstreitige Umsatzsteuerzahllast vom 10.079,09 € an. Sie beglich diese Beträge zunächst durch mehrere Teilzahlungen im Oktober (11., 14. und 21. Oktober). Der angemeldete und gezahlte Betrag wurde später im Rahmen einer Anfechtung gem. §§ 129, 130 der Insolvenzordnung – InsO – vom Insolvenzverwalter zurückgefordert und diesem erstattet.

Im Jahre 2011 fand bei der Steuerschuldnerin eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Monate November 2010 bis August 2011 statt. Die Prüfung ergab Abweichungen zwischen angemeldeten Beträgen der Umsatzsteuer (19 %), Vorsteuer sowie Bauleistungen gem. § 13b UStG und der Buchführung. Der Prüfer erfasste diese Abweichungen aus Vereinfachungsgründen zunächst gesammelt im Voranmeldungszeitraum August 2011, woraus sich Mehrsteuern i.H.v. insgesamt 6.490,61 € ergaben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 30. November 2011 verwiesen. Nach Prüfung der Summen- und Saldenlisten sowie genauer Aufteilung der Umsatzsteuerschuld ist nunmehr zwischen den Beteiligten unstreitig, dass ein zunächst dem Voranmeldungszeitraum August 2011 zugeordneter Betrag von 504,26 € in die Monate Februar bis Mai 2011 fällt. Insgesamt wird für den Voranmeldungszeitraum August 2011 nunmehr unstreitig ein Betrag von 16.755,90 € geschuldet, welchen die Steuerschuldnerin zunächst mit Zahlungen vom 21. Oktober und 17. November 2011 beglich. Die Zahlungen wurden ebenfalls später vom Insolvenzverwalter zurückgefordert und diesem erstattet.

Für den Voranmeldungszeitraum September 2011 besteht aufgrund fristgerechter USt-VA eine Steuerschuld i.H.v. 11.335,44 €, für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2011 i.H.v. 13.908,38 €. Diese Beträge wurden zu keiner Zeit entrichtet.

Mit Beschluss des Amtsgerichts C – Insolvenzgericht – vom … Januar 2012 (Az. 1) aufgrund eines am gleichen Tage eingereichten Insolvenzantrages der Steuerschuldnerin wurde Herr Rechtsanwalt H (Kanzlei N in C) zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Steuerschuldnerin bestellt. Am … Februar 2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr H zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt. In der Folgezeit erklärte dieser die Anfechtung gem. §§ 129, 130 InsO („Kongruente Deckung”) für Zahlungen der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (3. Oktober 2011 bis 2. Januar 2012). Daraufhin zahlte der Beklagte die vereinnahmte Umsatzsteuer der Voranmeldungszeiträume Juli und August 2011 nebst Nebenleistungen, insgesamt 27.418,25 €, im April 2012 an den Insolvenzverwalter zurück.

Mit Stand vom 6. Juli 2012 bestanden – nach Zahlung an den Insolvenzverwalter – rückständige Umsatzsteuern nebst Nebenleistungen der Voranmeldungszeiträume Juli bis Oktober 2011 i.H.v. 64.534,47 €. Auf den Voranmeldungszeitraum Juli 2011 entfällt dabei an Umsatzsteuer und Nebenleistungen ein Betrag von 11.179,59 €; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufstellung des Beklagten vom 6. Juli 2012 (Rechtsbehelfsakte) verwiesen. Eine wirksame Umsatzsteuerjahresanmeldung ist bislang nicht abgegeben worden.

Nach Anhörung erließ der Beklagte unter dem 5. Oktober 2012 die streitgegenständlichen gleichlautenden Haftungsbescheide gegen die Klägerin und den Kläger über jeweils 25.627,23 €. Zur Begründung führte er aus, die Haftung erg...

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